Spannender Psychothriller fast als Kammerspiel
Der ist es nicht!
Ist er es?
Wer ist das?
Das sind die Fragen, die sich Sarah nach sieben Jahren des Alleinlebens auf dem
Flughafen stellt. Ihr Mann ist wieder da. Sagt man. Sagt er. Sagt ihr Herz und
ihr Blick nicht. Nach sieben Jahren Funkstille durch eine Entführung (auf die
im Buch, leider, fast gar nicht eingegangen wird), soll ihr Mann wieder auf
freiem Fuß sein. Und damit die gutsituierte Familie mit dem Sohn wieder
komplettieren. Doch der da ist nicht ihr Mann. Das sieht Sarah sofort. Und,
nicht nur sie reagiert abwehrend. Doch der große Rest der Offiziellen und
selbst ihre beste Freundin verstehen das Problem nicht. In sieben Jahren kann
sich jemand, gerade unter solchen Bedingungen, doch ein wenig äußerlich
verändern.
Warum aber sperrt sich der "Fremde", als Sarah nach dem
unmissverständlichen Merkmal, einem Muttermal, fragt? Warum ist das Klima im
Haus zwischen den beiden so feindselig, so hart. Warum bedrängt der Mann sie
so? Ein Komplott? Einer, der sich einschleichen will ob des Geldes, was
vorhanden ist? Mit wem telefoniert "der Fremde" heimlich so häufig?
Enger und enger schnürt sich das Band, die Schlinge um Sarah zusammen, von
allen Seiten mangelt es an Unterstützung, so dass der Mann schalten und walten
kann wie er will und Sarah an den Rand eines tiefen Abgrundes aus Angst drängt.
Und dabei kommen verdrängte Erinnerungen. An eine Tat, die Sarah nie wieder vor
Augen haben wollte.
Aber kann es auch sein, dass sie es war, die ihrem Mann Böses wollte? Kann es
sein, das außerhalb ihrer bewussten Erinnerungen ein verstecktes Grauen lauert,
an sie und dieser Fremde beteiligt sind? Kunstvoll steigert Melanie Raabe die
düstere Stimmung Seite um Seite. Von der ein oder anderen Merkwürdigkeit
abgesehen (dass der Sohn nach der Wiederkehr des vermeintlichen Vaters einfach
außer Haus bei der Freundin untergebracht wird u.a.) Das nimmt den Leser auch
durch die klare, direkte Sprache der Autorin unmittelbar mit hinein in diese
bedrängende Situation, in der aus allen Ecken und Enden des Hauses düstere
Gefahr hervorzudringen scheint.
Und auch zum Ende hin erste Indizien einer möglichen Auflösung sorgen noch
einmal für überraschende Wendungen und ganz andere Sachlagen, als der Leser es
lange angenommen hat. Hilfreich dabei ist das Stilmittel, die Ereignisse
abwechselnd aus den Perspektiven Sarahs und des Fremden zu erzählen, wobei es
einige Zeit dauern wird, bis der Leser sich diesem harten Mann annähern kann.
Das Finale selbst ist dann allerdings ein wenig abfallend zur inneren Spannung
des bis dahin düsteren Thrillers. All zu viel löst sich in eher harmloses
Wohlgefallen auf, wie ebenso die allerletzte Szene des Thrillers sich
gefährlich nah zum kitschigen hin entfaltet.
Fazit
Alles in allem aber dennoch eine überwiegend spannende Entwicklung in
psychologisch gut beobachteter und dichter Atmosphäre, die nur am Ende ein
stückweit nachlässt und die aufgebauten Erwartungen nicht ganz einlöst.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 21. September 2016 2016-09-21 11:02:07