Prune Berge versteht es, das Leben dreier außerordentlicher Frauen in 10
Briefen wiederzuspiegeln. Den Mittelpunkt bildet Stéphanie Bouvier, "sehr
lebendig, sehr groß, blond, mit dunkelblauen Schlitzaugen", eine junge,
etwas rastlose Frau, die gerade dabei ist, "ihr Leben einzurichten".
Stéphanie bekommt zwanzig Jahre nach ihrer Geburt und 17 Jahre nachdem sie von
ihrer Mutter zur Adoption freigegeben wurde, von eben der einen Brief; Anne
Vallio schreibt "Meine liebe Tochter, sicher habe ich nicht das Recht, Dich
so zu nennen. Aber es gibt Dich, gerade habe ich es erfahren, und Du bist
zwanzig Jahre alt...". Auf diesen Brief antwortet allerdings nicht
Stéphanie, sondern deren "soziale" Mutter Colette Bouvier. Zwischen
diesen drei Frauen entspinnt sich nun eine, geprägt von Versöhnung und
Neubeginn, ungewöhnliche Korrespondenz, deren Höhepunkt die Verabredung eines
Treffens zwischen Stéphanie und Anna ist. Die Frage nach der "Schuld"
Annes spielt eine große Rolle; als Anna und Stéphanie sich zum ersten mal nach
17 Jahren widerbegegnen, fragt Stéphanie lakonisch wie sicher "Warum haben
Sie das gemacht?"; in einem Brief Colettes an Anna heißt es: "Ich
habe es Ihnen übel genommen, Madame, dieses Kind so wenig gewollt zu haben,
dass es ständig versuchte, sich zurückweisen zu lassen. Ich habe es Ihnen
übel genommen, wie es den Richtern, Polizisten, Lehrern und meiner Familie
übel nahm, dass sie mich nicht hörten, als ich um Hilfe schrie und mein Kopf
schon unter Wasser war. Als ich einfach nur mal eine Nacht schlafen
wollte".
Fazit
"du bist nicht meine mutter", eine sehr ansehnliche, ganz und gar
nicht weinerliche Auseinandersetzung mit dem ewigen Themen Mutter-Tochter,
Identiät, Selbstbestimmung und Herkunft.
Vorgeschlagen von Paul Niemeyer
[Profil]
veröffentlicht am 12. März 2004 2004-03-12 20:12:48