Geballte Katastrophen
Ein Flugzeugabsturz zieht bereits breite und lange Furchen an Trauma hinter sich
her. Für die Angehörigen, aber auch für jene, die solche Katastrophen
unmittelbar miterleben.
Auf der Basis von tatsächlichen Ereignissen verarbeitet Judy Blume im Buch
selbst erlebtes. In dieser kleinen Stadt "Elizabeth", die nicht nur
einmal Augen- und Ohrenzeuge eines Flugzeugabsturzes wird.
Und breit verarbeitet Blume dies und führt den Leser mitten hinein in die
vielfältigen Perspektiven jener Katastrophen und was sie für einzelne Menschen
bedeuten. Rasche Perspektivwechsel, eine Vielzahl von Personen, ein dadurch auch
schnelles Tempo in der Sprache, da benötigt es zunächst einiges an
Konzentration, um den roten Faden im Kopf zu halten und die vielfachen Namen
dann, im Lauf der Lektüre, auch zuordnen zu können, die verschiedenen
Erzählfäden nebeneinander sortiert zu halten.
"Wir werden immer verbunden bleiben durch diesen Winter. Wer etwas anderes
behauptet, der lügt".
In der Person der 15jährigen Miri lässt Judy Blume die Ereignisse
zusammenfließen und bietet hier auch, wohl als Alter Ego ihrer eigenen
Erfahrungen gestaltet, den durchgängigen roten Faden der Folgen der Abstürze
und der Entwicklung der Menschen durch diese Ereignisse. Komplexe Erfahrungen
und ebenso sehr differenzierte Entwicklungen in der Verarbeitung des
schrecklichen Geschehens, dass so manchen und manche nicht mehr ruhig schlafen
lässt, während andere wiederum den Weg der Verdrängung beschreiten und
dennoch Nachwirkungen zu spüren haben werden.
Dies alles verfasst Judy Blume weniger in Form eines Romans, sondern eher in
einem etwas nüchternen Stil wie einen Bericht, eine ständig die Perspektive
wechselnde Betrachtung psychologischer Reaktionen und Versuche, das eigene Leben
wieder "ins Lot" zu bekommen. Eine gewisse Distanz taucht auf zu den
Figuren, die auch den Leser emotional ebenso auf Distanz hält und zum
Beobachter eher macht, als dass dieser in die Ereignisse mit hineingesogen
wird.
Dennoch vermitteln auch die eher sachlichen Schilderungen im Buch durchaus ihren
Teil an Dramatik. Wenn klar wird, dass eine bei einem Absturz getötete
Stewardess kurz vor dem Start noch ihre Zweifel an der Flugtauglichkeit der
Maschine mitgeteilt hat und die Schwester dann ohnmächtig erlebt, wie all dies
tatsächlich dann passiert.
Und daneben immer wieder der Versuch, den Alltag weiterlaufen zu lassen, die
Bilder aus dem Kopf zu bekommen. Hier geht Blume vor allem der Kraft der
Gemeinschaft nach, dem Halt, den die Familie in solchen Momenten gibt und
beschreibt ebenso, wie die "Kraft der Regeln", das "sich nicht in
das Loch hineinziehen lassen", jene Kraft geben, die Ereignisse auch ein
stückweit zu verarbeiten.
Fazit
Eine interessante, nicht immer übersichtliche, aber lebendige und teils
fassungslos machende Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 27. Mai 2016 2016-05-27 16:01:58