Gefahren für die Demokratie
Eine steile These ist es, die Jürgen Roth seiner Untersuchung "des
Staates" zu Grunde legt. Das rechts gerichtete, nationale Überzeugungen
und konservative politische Haltungen mitsamt einer relativ großen
"Schnittmenge" auch zum rechtsradikalen Bereich mehr und mehr die
zivilgesellschaftliche Demokratie in Deutschland unterwandern und die Linien der
Verfassung (wohl bewusst) damit untergraben. Eine "vergiftete
Atmosphäre" konstatiert Roth, die von sozialer Kälte, rassistischer
Gewalt, Demokratientleerung und Bürgerwut mehr und mehr auch primär geprägt
wird.
"Erinnerungen an die Dreißiger Jahre werden zwangsläufig wach".
"Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann wieder die ersten Todesopfer zu
beklagen sein werden". Markige Sprüche und eine angedeutet Verbindung
hinein in den Beamten- und Staatsapparat, die Roth vorwegstellt, die er aber,
das sei vorweg gesagt, in der durchaus interessanten und fundierten Lektüre
nicht unbedingt stringent verfolgt oder klar beweist. Eher bietet das Buch zum
einen ein Aufgreifen einer öffentlichen Meinung, die sich, da beobachtet Roth
ganz recht, mehr und mehr enthemmt Bahn bricht und auch laute
"Erinnerungen" an KZ, "an die Wand stellen",
"Verbrennen von Asylanten" und vieles mehr scheinbar ungestraft
(wieder) salonfähig werden lassen.
Falls dies jemals eben "nicht salonfähig" gewesen sein sollte. Denn
Roth verfolgt im Kern des Buches die Entwicklung rechtsradikaler Haltungen und
Tendenzen nach dem zweiten Weltkrieg und dem Ende des Nazi-Regimes in
Deutschland nach. Zeigt dabei auf, wie viele der Protagonisten mit fast
ungebrochenen Biographien auch die neue Bundesrepublik mit prägten und wie seit
den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts diese "überwunden"
geglaubten Haltungen mehr und mehr wieder öffentliche Stimme wurden und
öffentliche Stimmungen bis hin zu politischen Überzeugungen wieder
beeinflussten. Von der NPD hinien in "klerikal-konservative Kreise"
(gemeint ist die CSU) bis hin zu wieder offen auftretenden rechtspopulistischen
"Politikern" aktuell bei der AFD.
Das ist durchaus interessant zu lesen, denn der "Rechtsruck" auch
etablierter Parteien, die Sorge vor dem Verlust von Wählern, die Verschärfung
"national gerichteter" Gesetze, all dies ist ja aktuell zu erleben und
findet im Buch einen stringent recherchierten Hintergrund im Blick auf die
Geschichte rechtspopulistischer Meinungen, Haltungen und Ziele vor allem seit
Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts.
Mannigfaltig sind dabei die Beispiele, die Roth anführt und an denen er,
durchaus mit gewichtigen Argumenten, auch festmacht, dass "auf dem rechten
Auge" nicht selten eine gewisse systembedingte Blindheit zu konstatieren
ist. Daraus allerdings abzuleiten, dass ein "tiefer Staat" bereits am
Ende der Demokratie "arbeitet", das geben die Schlussfolgerungen Roths
nicht wirklich her. An jenen Stellen im Buch wird es dann doch ein wenig auch
nebulös und verliert sich in Andeutungen, die es an notwendiger Klarheit und
vor allem an überzeugenden Belegen fehlen lassen.
Fazit
Wie tief nun aber rechtsradikale, rechtspopulistische, auch rassistische
Haltungen "in der Mitte der Gesellschaft" sich in Deutschland
"erhalten" haben, wie erkennbar bei genauerem Hinsehen deren Umtriebe
seit Jahrzehnten bereits sind, dafür liefert Roth vielfache und oft
augenöffnende Beispiele, welche die Lektüre des Buches durchaus lohnen und so
manches an gegenwärtiger politischer und sozialer Entwicklung nachvollziehbar
aus einer "durchgehenden historischen Linie" her erklären. Auch wenn
jene "heimlichen Strukturen eines "Staates hinter dem Staat" sich
aus der Lektüre des Buches nicht zwingend ergeben.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 10. März 2016 2016-03-10 13:57:03