"Griff nach der Weltmacht" - das vorliegende Buch von Fritz Fischer,
revolutionierte die deutsche Geschichtswissenschaft und löste bei seinem
Erscheinen im Jahre 1961 die sogenannte "Fischer-Kontroverse" aus. Es
behauptet, Deutschland habe die Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Allerdings stellt Fischer klar, dass er - ähnlich wie Sebastian Haffner in
seinem Werk "
Die sieben
Todsünden des Deutschen Reiches" sich lediglich mit der
Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschlands zwischen 1914 und 1918
beschäftigt und die Schuldfrage der anderen beteiligten Mächte nicht
erörtert. Das Buch kann auch nicht ohne seinen "Nachfolger" "
Krieg der Illusionen"
verstanden werden, welches 1969 erstmals erschien und die deutsche Politik
zwischen 1911 und 1914 herausarbeitete. Aus heutiger Sicht ist die einseitige
Schuldzuweisung an Deutschland, vor allem was die zivile Reichsleitung angeht,
eindeutig überholt. Hierauf hat zuletzt wohltuend Volker Ullrich in seniem Buch
"
Die nervöse Großmacht
1871 bis 1918" in seinen außenpolitischen Kapiteln hingewiesen.
Dennoch ist das Buch auch heute noch interessant zu lesen und zwar aus vier
Gründen. Erstens belegt Fischer, dass es eindeutige deutsche
"Kriegsziele" gab und Deutschland nicht unschuldig in den Krieg
"hineingeschlittert" war. Diese - aus heutiger Sicht banale -
Feststellung wirkte zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches im Jahre 1961 fast
revolutionär. Zum zweiten gibt es heute verstärkt die Tendenz, die deutsche
Mitschuld am Entstehen des Krieges zu leugnen. Dies wird besonders deutlich in
dem im November 2003 im Olzog-Verlag erschienenen Buch von Gerd Schultze-Rhonhof
"
1939: Der Krieg, der keine
Väter hatte" in dem die Schuld am Kriegsausbruch allen anderen
beteiligten Mächten, nur nicht dem "unschuldigen" Deutschland,
zugewiesen wird. Insofern ist die Aufklärung Fischers heute noch notwendig und
wichtig. Drittens jährt sich in diesem Jahr der 90. Jahrestag des Ersten
Weltkrieges. Zahlreiche Neuerscheinungen, Bücher und Filme, werden erwartet.
Insofern dürfte auch Fischers Buch erneut auf Interesse stoßen. Auf die
"Fischer-Kontroverse" machte auch der "Spiegel" vom 16. 02.
2004 in seiner Titelgeschichte: 1914-1945: Der (zweite) Dreißigjährige Krieg
aufmerksam. Heinrich August Winkler sprach - zu recht - von der
"Urkatastrophe" des Ersten Weltkrieges. Viertens weisen
Politikwissenschaftler wie Richard Ned Lebow immer wieder auf die
"Juli-Krise" von 1914 hin. Sie dient als Beispiel, wie eine Krise
eskalieren und zum Krieg führen kann. Der Juli 1914 zeigt beispielhaft, unter
welchen Umständen eine Krise eskaliert und zum Krieg führt und ist deshalb
heute noch für die historische und politische Forschung ungemein wichtig.
Fazit
Ein Grund mehr, sich die Thesen Fischers zu Gemüte zu führen, auch wenn sie
nicht mehr den neuesten Forschungsstand wiederspiegeln.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 23. Februar 2004 2004-02-23 21:29:32