Im Jahr 2022 gewinnt die Partei der Bruderschaft der Muslime unter Führung von
Mohammed Ben Abbes die französische Präsidentschaftswahl. Dieser Wahlsieg ist
unter anderem durch die bürgerlichen Parteien zustande gekommen, die Abbes bei
der entscheidenden Stichwahl unterstützt haben, um zu verhindern, dass der
Front National unter Führung von Marine Le Pen die Wahl gewinnt. Ein Wahlsieg,
der eine schleichende Veränderung Frankreichs mit sich bringt. Mitten drin
steht dabei der Literaturprofessor Francois, der immer wieder Verhältnisse mit
seinen Studentinnen eingeht, die nicht länger als ein Jahr andauern. Sein
Spezialgebiet ist das Leben und Wirken des belgischen Schriftstellers Joris-Karl
Huysmanns. Francois beginnt sein Leben zu hinterfragen. Er arrangiert sich und
kollaboriert am Ende sogar mit dem neuen, demokratisch gewählten, islamischen
Syndrom.
Seit seinem Roman "Elementarteilchen" ist Michel Houellebecq einer der
renommiertesten französischen Literaten. Mit "Unterwerfung" zeichnet
er ein eher düsteres Bild der Zukunft, in der sich der Westen mehr oder weniger
selbst aufgegeben hat. Frauen zurück an den Herd, die Familie als Keimzelle der
Gesellschaft. Houellebecqs Stoff ist provokant und an einigen Stellen fernab der
oft beschworenen Political Correctness. Doch gerade das macht den Reiz dieser
durchaus nicht immer leicht zu verstehenden Geschichte aus.
Umso größer die Aufgabe für Leonard Koppelmann (Hörspielbearbeitung und
Regie), Manfred Hess (Dramaturgie und Redaktion) und ihrem Team, diesen Roman
als Hörspiel aufzubereiten. Wie bei einer Kinoadaption mussten tiefe
Einschnitte in der Handlung vorgenommen werden, um das Ganze auf eine Spieldauer
von knapp drei Stunden unterzubringen. Doch wo viele Kinofilme scheitern,
gelingt es hier, der Komplexität der Geschichte gerecht zu werden und den Roman
so aufzubereiten, dass das Hörspiel wie aus einem Guss klingt. Die Mischung aus
Sprecherpassagen und akustisch-musikalischer Untermalung ist ausgewogen und
sorgt für den passenden Rahmen.
Insgesamt 20 Sprecher sorgen dafür, die Geschichte zum Leben zu erwecken. Allen
voran Samuel Weiss und Wolfram Koch. Weiss spricht den von seinen
Ausschweifungen geprägten Literaturprofessor mit vornehm zurückhaltender
Intensität, die es dem Hörer ermöglicht, sich selbst ein Bild von François
zu machen. Gleiches gilt für Wolftam Koch, der sich um die Passagen von
Huysmanns kümmert. In weiteren Rollen brillieren unter anderem Imogen Kogge,
Johann von Bülow oder Christian Redl.
Fazit
"Unterwerfung" ist alles andere als leichte oder gar seichte
Unterhaltung. Auch wenn der Roman natürlich stark auf französische
Gegebenheiten eingeht, ist man als Hörer gefesselt von dem Szenario, das
provoziert, schockiert, aufklärt und gleichzeitig ratlos macht.
"Unterwerfung" kann und muss daher als große Literatur angesehen
werden. Die überaus gelungene Hörspieladaption lässt nichts vermissen,
schürt aber trotzdem den Wunsch, sich nach dem Hören in Gänze mit diesem
großen Entwicklungsroman zu beschäftigen.
Vorgeschlagen von Michael Krause
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veröffentlicht am 15. Dezember 2015 2015-12-15 21:44:27