Es ist einige Zeit her, dass ein neuer Kriminalroman um den Pariser Kommissar
Adamsberg in Deutschland erschienen ist. Nun ist es soweit. Fred Vargas’
"Das barmherzige Fallbeil" erschien in Frankreich in einem neuen
Verlag und hat gleichermaßen in Deutschland ein neues Heim gefunden. Für die
Freunde von Adamsberg und seinem dienstlichen Partner Danglard hatte das Warten
nun ein Ende.
Darum geht es bei diesem neuen Fall: Kommissar Bourlin vom 15. Arrondissement in
Paris wird zu einer Leiche gerufen. Doch offensichtlich handelt es sich bei der
Toten in der Badewanne um ein Selbsttötungsdelikt. Der zuständige
Untersuchungsrichter drängt auf einen schnellen Abschluss der Ermittlungen und
das Schließen der Akte. Bourlins Bauchgefühl sagt ihm aber, dass es sich nicht
um Selbstmord handelt. Besonders wegen eines ungewöhnlichen Symbols auf dem
Waschtisch, ähnlich einem großen "H", jedoch mit zwei Querstrichen,
einem geraden und einem gekrümmten. Bourlin möchte seinen Kollegen Danglard
und über diesen Adamsberg von der Kriminalabteilung im 13. Arrondissement, dem
Studentenstadtteil Quartier Latin, hinzuziehen. Immer an der Aufklärumng eines
Rätsels interessiert sind diese beiden schnell bereit dazu. Mehr durch Zufall
gelangen sie auf eine Spur, der sie unbedingt nachgehen wollen. Doch dabei
treffen sie auf einen weiteren "Selbstmord".
Nahezu liebevoll kümmert sich Vargas um die vor Jahren geschaffenen
Protagonisten. Auf interessante Weise und in vielen Bildern bringt sie den
Lesern die Figuren nahe, sodass es nicht notwendig ist, alle vorhergehenden
Vargas-Krimis gelesen haben zu müssen. In knappen Worten beschreibt sie
Adamsberg und Danglard in einem Dialog von Bourlin mit einem jungen Kollegen
folgendermaßen, was sich in der deutschen Übersetzung dann so liest:
"Wenn wir schon im Dunkeln tappen", meinte Adamsberg im Fortgehen mit
einer laxen Handbewegung, "kann man ja auch mal sagen, was einem so
einfällt. Mich erinnert das Ding an eine Guillotine."
Bourlin sah seinen Kollegen eine Weile an.
"Wundere dich nicht", sagte er zu seinem Brigadier. "Das ist
Adamsberg."
Als wäre damit alles erklärt.
"Aber dieser Commandant Danglard", meinte der junge Mann, "was
hat der in seinem Schädel, dass er das alles weiß?"
"Weißwein."
Es sind nicht nur die Spannung und die Beliebtheit von Adamsberg, die den Leser
an die Geschichte kleben, sondern auch der leise Humor, vom ersten Satz an
festklammert. Die Dialoge, die normaler Gespräche genauso wie Frotzeleien unter
Kollegen widergeben, sind fortwährend unterhaltsam. Mit zwei Ausnahmen: Die
Gespräche mit dem Präsidenten der Robespierre-Gesellschaft weckten kein
besonderes Interesse in mir. An diesen Stellen hatte ich eher das Gefühl, als
wolle die Schriftstellerin oberlehrerhaft den Lesern ein Stück der Geschichte
Frankreichs vermitteln. Ein Straffen dieser Sequenzen hätte dem Roman gutgetan.
Das betrifft auch die Passagen über Island und dessen Mythologie, bei denen
sich Vargas genauso zu verzetteln scheint, wie es Adamsberg von dessen Kollegen
vorgeworfen wird. Diese Passagen führen bei mir als Vargas-Fan leider zu
Punktabzug.
Fazit
Belohnt wird der Leser schließlich mit der Auflösung der einzelnen Konflickte
und Irrwege, beispielsweise die Herkunft von Victor und Amédee oder die
Geschehnisse auf der isländischen Insel vor mehreren Jahren. Faszinierend
schließlich die komplexe Auflösung des Falles, die Adamsberg seinen Kollegen
erläutert. Man kommt als Leser nicht umhin, zuzustimmen, wenn er sagt, dass
sie, seine Kollegen, auch alles gewusst haben und nur die richtigen Schlüsse
hätten ziehen müssen. Als Leser ging es mir genauso. Ich erinnerte mich an die
gelesenen Passagen und fragte mich, warum ich nicht auf die Lösung gekommen
bin. Wenn das keine Empfehlung wert ist!
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 28. November 2015 2015-11-28 00:08:28