In einem Park in Berlin-Prenzlauer Berg wird ein Japaner tot aufgefunden. Dieser
Japaner bewegt sich in der Szene der Vietnamesen. Deshalb wird schnell an einem
Mord im Drogenmilieu gedacht, manchmal aber auch an die von Ausländerhass
geprägten NSU-Morde. Die Hauptkommissarin Annegret Bartsch aus dem
Vietnamesendezernat hat seit über zehn Jahren kein Mord mehr aufgeklärt, wie
wird aber dennoch in die "SOKO Merzmorde" gerufen, weil sie über viel
Insiderwissen verfügt. Parallel zu den Ermittlungen macht sich ein anderer
Japaner auf den Weg, dem toten Landsmann und - wie sich herausstellt - Kollegen
bei den Yakuza (japanische Mafia) hinterherzuspüren. Denn es schien, als wollte
der an der Organisation vorbei einige Geschäfte abwickeln. Für den Leser steht
die Frage im Raum, ob dieser Japaner auch für den Tod seines Kollegen
verantwortlich war. An dieser Stelle ist schnell zu erkennen, dass der
Spannungsbogen dieses Romans nicht entlang der kriminellen Linie gezogen
wird.
Dieser Roman spaltet mich und leider kann ich ihn nicht uneingeschränkt
empfehlen. Die durchweg gut ausgedachte Geschichte scheint sehr viel
versprechend und weckt gewisse Erwartungen. Meine jedoch wurden nicht erfüllt.
Da ist zunächst einmal der Satzbau des Autors. Zehn bis zwölf Seiten in einem
einzigen Satz zu absolvieren, ist eine dumme Spielerei, die mich als Leser
verärgert. Es zeugt von wenig Respekt dem Leser gegenüber, der in diesen
Abschnitten vergeblich nach Ruhepunkten für das Auge sucht. Schließlich sind
mir die Figuren zu oberflächlich. Sie erhalten keinen Tiefgang. Man findet sie
weder abstoßend noch sympathisch. Sie mögen ungewöhnlich sein und die Regel
beherzigen das der Bösewicht nicht immer nur böse und der Gutmensch nicht
immer nur gut ist. Aber zum Beispiel die Kommissarin als Hauptfigur, aus ihrer
Sicht jedes zweite Kapitel ohne Punkt und Absatz verfasst, labert soviel an der
Oberfläche herum, was nichts mit den Verbrechen zu tun hat, dass ich diese
Monologe mit einem über Blättern quittiert habe. Die zweite Hauptfigur, der
Killer, könnte eine richtig anspruchsvolle Figur sein. Sie tapst hier durch so
viele Märkte und Läden, von denen der Inhalt jedes einzelne Regals beschrieben
wird, dass man sich nur wundert, wie weltfremd wohl die Japaner in den Augen des
Autors sein müssen. Ich habe eingangs nicht umsonst erwähnt, dass ich die Idee
zu dieser Geschichte toll finde. Dazu gehört auch, dass aus den zwei
verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Einmal aus der Sicht der Polizistin,
die in der ersten Person erzählt, zum anderen aus der Sicht einer dritten
(auktorialen) Person, die das Geschehen um den Killer beschreibt. Die Kapitel
wechseln sich mit dieser Erzählweise ab und deshalb ist es auch kein Spoiler,
wenn ich hiervon spreche. Ab dem zweiten Kapitel folgt der Leser dem Killer
unmittelbar und erlebt alles hautnah mit. Das besonders Schöne daran ist, dass
der Leser immer den Ermittlern einen Schritt voraus ist. Das was die
Hauptkommissarin erzählt, weiß der Leser bereits aus der Handlung des Killers
(auch ein Grund, warum man die Kapitel der Polizistin überblättern kann).
Fazit
Der besondere Reiz dieses Romans liegt also nicht darin, den Täter zu
ermitteln. Vielmehr liegt die Spannung darin, ob und wie der Killer geschnappt
wird. Oder anders ausgedrückt: ob er seinen Auftrag erfüllen kann und der
Polizei nicht in die Fänge geht. Wäre das Buch vernünftig gesetzt und hätte
viel weniger Ladenregale und Gelaber, so könnte ich es mit höchsten Tönen
empfehlen. So bleibt mir nur eine Empfehlung für den experimentierfreudigen
Leser.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
[Profil]
veröffentlicht am 12. November 2015 2015-11-12 23:33:56