Zum 200. Todestag Immanuel Kants sind zahlreiche Biographien neu erschienen oder
wieder neu aufgelegt worden. Und hier ergibt sich für den Kant-Interessierten
die Frage: Welche Biographie informiert mich am genauesten über Kants
philosophisches Denken? Dies ist meines Erachtens zweifellos die vorliegende
Biographie des Kant-Experten Otfried Höffe, Professor für Philosophie an der
Universität Tübingen, der mit zahlreichen weiteren Publikationen über Kants
Philosophie hervorgetreten ist (so hat er einen Band über Kants Kritik der
reinen Vernunft publiziert und ist Herausgeber eines interessanten Sammelwerks
über Kants wichtiges Werk: "Zum ewigen Frieden"). Der Schwerpunkt der
vorliegenden Biographie liegt in der Tat auf dem philosophischen Werk Kants, da
sich eine spannende Biographie über Kants Leben schwerlich schreiben ließe (S.
19). Intention des vorliegenden Buches ist, neben einer kurzen Skizzierung des
Lebensweges vor allem die philosophische Entwicklung und das Wirken Kants
einzuführen, um den "Widerstand gegen Kant abzuschwächen" (Vorwort,
S. 16). Als Einführung in Kants Denken könne als Leitfaden die
Entwicklungsgeschichte oder die Wirkungsgeschichte gewählt werden. Höffe
wählt beide Wege. Zunächst skizziert er in Kapitel 2 und 3 die Entwicklung,
dann die Wirkung (Kapitel 14). Im Mittelpunkt der vorliegenden Biographie liegen
die Hauptschriften, da in ihnen Kants Denken nach jahre- und jahrzehntelanger
Vorarbeit seine endgültige Gestalt erhalten hat. Schon die Anordnung der
Einzelkapitel zeigt, wie systematisch konzentriert Höffe seine Biographie
anlegt. Teil 1 behandelt den Lebensweg und die philosophische Entwicklung, Teil
2 behandelt die "Kritik der reinen Vernunft" unter der Überschrift:
"Was kann ich wissen?", der ersten der drei Hauptfragen, mit denen
sich Kants Philosophie beschäftigt. Teil 3 untersucht unter dem Titel:
"Was soll ich tun?" die Moral- und Rechtsphilosophie Kants und geht
auf die "Kritik der praktischen Vernunft" sowie die Rechts- und
Staatsphilosophie" ein. Teil IV analyseirt die Geschichts- und
Religionsphilosophie Kants unter dem Titel: "Was darf ich hoffen?",
der dritten Hauptfrage seines philosophischen Denkens. Teil 5 untersucht unter
dem Titel: "Die philosophische Ästhetik und die Philosophie des
Organischen" seine "Kritik der Urteilskraft". Teil 6 zeigt seine
Wirkungsgeschichte auf.
Fazit
Insgesamt eine hervorragende Einführung in die Hauptwerke Kants, wobei leider
auf seine - für mich wichtigste - Schrift: "Zum ewigen Frieden" nicht
eingegangen wird. Dies ist schade und "der" Kritikpunkt dieser an sich
hervorragenden Arbeit, zumal Kant heute - nimmt man das Urteil der
Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen, besonders wegen dieser letzten Schrift
heute eine ungeahnte Aktualität gewonnen hat, wie der wissenschaftliche Diskurs
über diese letzte Schrift - insbesondere nach dem Irak-Krieg - zeigt. Einer
Neuauflage wäre meines Erachtens daher zu wünschen, auf dieses zentrale Werk
ebenfalls einzugehen und der Schrift "Zum ewigen Frieden" den selben
Stellenwert wie den anderen Hauptschriften zu geben. Da dies in dieser Ausgabe
(5. Auflage, 2000) nicht erfolgt, vergebe ich lediglich 4 Punkte. Ansonsten ist
dies jedoch die informativste Einführung in Kants Denken, die ich kenne.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 23. Februar 2004 2004-02-23 13:51:09