Maarten 't Hart ist ein ausgezeichneter Autor, und "Gott fährt
Fahrrad" eines seiner besten, vielleicht sein persönlichstes Buch. In ihm
würdigt er seinen verstorbenen Vater. In berührenden, nahezu zerfließenden
Worten wird der Kindheit und Jugend Maartens gedacht, immer in Hinblick auf die
existenzielle Angst über den baldigen Verlust des Vaters. Der Vater,
"Grabmacher" von Maassluis, wird mal mürrisch, boshaft, schonungslos,
mal verständnisvoll, mal zärtlich und eigensinnig, mal verspielt und wiederum
wortkarg, klotzig, dumpf, in sich gekehrt, als "ein so humorvoller,
fröhlicher Kerl, der noch so verflixt jung aussieht, man würde ihn auf Ende
Fünfzig schätzen", dargestellt. Schon im ersten Kapitel wird klar, dass
es sich hier nicht um einen besonders "wunderlichen Vater", sondern um
"die wunderliche Welt meines Vaters" dreht. Ihre liebenswert düstere
Atmosphäre beziehen die zwölf Kapitel des Romans aus der Fülle an
Todesantizipationen; allein der Beruf des Vaters gibt da viel her; Maarten, der
als einziger der Familie über das unabwendbare Ende des Vaters unterrichtet
ist, stellt sich in immer beklemmenderen Ausmaß die Frage, ob er diejenigen,
die er so sehr liebt, einweihen soll oder nicht, "tat ich wirklich gut
daran, ihm nicht zu sagen, was ihn erwartete? Hatte man kein Recht darauf zu
wissen, was los war? Würde ich selbst es wissen wollen, wenn meine Ende
nahte?"; wieder und wieder machen sich Verzweiflung ("Solange ich es
für mich behalten mußte, war es nicht sein, sondern mein Tod"), Fragen
nach Glaube und Bestimmung ("Wenn er starb, gab es die einzige Person nicht
mehr, die zwischen mir und dem Tod stand"), das Bewußtsein eigener
Ohnmacht breit. Doch ist dieser Roman kein Klagelied; er hat zweifellos seine
melodramatischen sowie fast melancholischen Momente, aber das verwechsele man
nicht mit Gefühlsduselei.
Fazit
Maarten schreibt ehrlich, fern jeglichen Affekt; der virtuosen Beschreibung
seiner niederländischen Heimat räumt er viel Platz ein; die fruchtbare
Beschäftigung des Protagonisten mit Musik (Bach, Mozart, R. Strauss) und
Literatur (Obe Postma, J. C. Bloem, Matthias Claudius, Annette von
Droste-Hülshoff, Dickens) ist Hart, wie in anderen seiner Bücher, exzellent
gelungen.
Vorgeschlagen von Paul Niemeyer
[Profil]
veröffentlicht am 18. Februar 2004 2004-02-18 20:21:42