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Jan Weiler: Kühn hat zu tun

Kühn hat zu tun

von Jan Weiler
Verlag: Der Hörverlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-8445-1822-1

Preis: 5,50 Euro bei Amazon.de [Stand: 22. Dezember 2024]
"Kühn hat zu tun" ist mein vierter Roman. Die ersten Leser meinten sofort, das sei ein Krimi. Der gleichen Ansicht war auch mein damaliger Verleger Alexander Fest, als ich ihm vor drei Jahren die ganze Geschichte beim Essen erzählte. Ich berichtete von diesem Mann, dem ständig die Gedanken im Kopf herumsausen, der sich auf nichts mehr richtig konzentrieren kann und deshalb auch keine Entscheidungen mehr zu treffen in der Lage ist. Ich erzählte von dem quälenden Zustand dieses Gedankenstroms und wie der Mann darüber allmählich in eine Lebenskrise gerät. Und ich erzählte ihm, dass er Polizist sei und in einem Neubauviertel mit seiner Familie lebe. Seine Frau und seine Kinder machen ihm Probleme, er kann sich kein neues Auto leisten und irgendwas im Keller seines Hauses kommt ihm komisch vor. Und dann muss er auch noch einen Mord aufklären. Das Buch handelt von der wachsenden Überforderung durch den Alltag und ich finde, das Problem haben viele Menschen in vielen Berufen." (Jan Weiler auf seiner Homepage)

Mit diesen Worten charakterisiert Jan Weiler sein neues Buch "Kühn hat zu tun." Der Protagonist, der 44 Jahre alte Kriminalhauptkommissar lebt in einer tristen Neubausiedlung, und wenn er morgens unter der Dusche steht, dann rechnet er durch, warum das Geld hinten und vorne nicht reicht. Die Tochter will ein Pony, die Gartenmöbel sind nicht abbezahlt, das Auto ist kaputt. Und obwohl er jeden Mörder zum Reden bringt, gelingt es ihm nicht, mit seinem Sohn ins Gespräch zu kommen, der offensichtlich mit Neonazis sympathisiert. Kühn muss sich mit vielen Sorgen rumschlagen, doch dann wird auch noch direkt hinter seinem Haus die Leiche eines alten Mannes gefunden. Er wurde gefoltert und erstochen. Ein intelligenter Serienmörder treibt offenbar sein Unwesen. Und dann wird noch ein Mädchen aus der Nachbarschaft entführt. Hängen beide Fälle miteinander zusammen?

Das Buch ist in erster Linie kein Krimi, sondern - mich hier sehr an Hans-Werner Kettenbachs "Davids Rache" erinnernd, die präzise Schilderung des Alltags deutscher Durchschnittsbürger. Die Krimihandlung ergibt sich eher "nebenbei" - und dies merkt man sehr deutlich. Die beiden Kriminalfälle, die sich innerhalb des Erzählzeitraums von einer Woche ereignen, sind nicht Haupthandlung des Buches, deren Auflösung meines Erachtens auch sehr vorhersehbar.

Die Stärke dieses Buches ergibt sich aus seiner Sozialkritik. Die Entstehungsgeschichte der Siedlung, in einem Vorkapitel dargestellt, geht in die Zeit des Nationalsozialismus zurück. Ein Munitionsfabrikant sprengte seine Fabrik in den letzten Kriegstagen in die Luft; die Chemikalien sickerten in den Boden ein. Die "Weberhöhe", wie dieses Gebiet genannt wird, verfolgt ihre Vergangenheit bis in die Gegenwart - denn buchstäblich alle Keller der Siedlung sind verseucht und es steht zu erwarten - das Ende bleibt hier offen - dass die Bewohner hier nicht weiterleben können und wegziehen müssen.
Zudem haben die Bewohner der Siedlung ebenfalls Probleme mit über 2000 Flüchtlingen, die aus allen Erdteilen in diesem Viertel ansiedeln. Die Probleme, die sich aus dem Ziel, eine multikkulturelle Gesellschaft in diesem Viertel zu schaffen, ergeben (nach anfänglicher Akzeptanz führt das Zusammenleben zwischen den Nationen zu Hass und Intoleranz und sogar einem Toten), werden plastisch geschildert; auch Kühn kommt damit in Berührung, weil sein 16jähriger Sohn aus Protest gegen die zahlreichen Migranten in die rechtsradikale Szene abrutscht. Das Kapitel "Lilith mit der detaillieten Schilderung des Alltags dieser Siedlung und der Reaktionen der Menschen auf den Zuzug der Flüchlinge gehört zu den stilistischen Höhepunkten dieses Gesellschaftsromans. Auch ein zweites Thema in unserer Gesellschaft, die wachsenden Anforderungen des Einzelnen an seinen Beruf, werden thematisiert; der Kommissar zeigt Symptome eines "Burn-Outs", zahlreiche Erinnerungen stürmen auf ihn ein; er kann sie aber nicht ordnen und kommt nicht zur "Ruhe". Das es dafür einen Grund gibt, wird im Laufe des Buches klar und hängt eng mit der Lösung der beiden Fälle zusammen. Hier verknüpft sich der Gesellschaftsroman mit dem Kriminalroman.
Aber: es handelt sich in der Tat um einen Gesellschaftsroman - weniger um einen Krimi. Die Krimihandlung hat mich ehrlich gesagt enttäuscht; zu sehr merkt man dem Autor an, dass es sich bei diesem Plot für ihn um eine "Nebensache" handelt. Insofern mag es sein, dass Krimileser als Zielgruppe von diesem Buch enttäuscht sein werden, da Handlung und Auflösung des Falles - wie oben erwähnt - recht konstruiert erscheinen; zumindest ging es mir so.
Fazit
Fazit: Leser der anderen Bücher Jan Weilers, in welchem wie in "Maria ihm schmeckt`s nich" Migration und Integration ebenfalls zum "Thema" gemacht werden, werden dieses Buch mögen.
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 02. Juli 2015

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