Das neue Jahr 2015 ist unter anderem der 200. Jahrestag der Abschlussakte des
sogenannten Wiener Kongresses. Mehrere neue Publikationen erscheinen in diesem
Zusammenhang bzw. sind bereits veröffentlicht. Dazu gehört die vorliegende
Darstellung, die eine Übersetzung eines bereits 2007 in englischer Sprache
erschienen Werkes des Sachbuchautors Adam Zamoyski ist.
Der Wiener Kongress stellt in gewisser Weise ein historisches Phänomen dar,
denn auf diesem wurde nach den Wirren der Napoleonischen Kriege eine neue
Nachkriegsordnung geschaffen, die im Kern bis 1918 bestehen blieb. Dazu saßen
vor allem die damaligen Großmächte mit am Tisch, die über das Schicksal
kleinerer Nationen und Völker einseitig entschieden. Zamoyski schildert
detailliert und dennoch in flüssiger Form die zeitgenössischen Umstände, die
nicht unerheblichen Probleme schon im Vorfeld der Konferenz, der sich durch
Napoleons "100 Tage Herrschaft" neu aufgeworfenen Fragen (wie sollte
nun mit Frankreich umgegangen werden, wobei Zamoyski die Schlacht von Waterloo
allerdings viel zu knapp behandelt) und die politischen Spiele im Hintergrund.
Es entfaltet sich ein Panorama des "Alten Europa" - und dieses ist
nicht immer vorteilhaft. Frankreich war bestrebt, keinen hohen Preis für die
vorangegangenen Kriege zu zahlen, während die anderen Großmächte vor allem
die eigenen Interessen im Blick hatten. Dies erschwerte eine nachhaltig
tragfähige Lösung und schob zahlreiche ernsthafte Probleme nur zeitlich auf,
was sich etwa für Russland als katastrophal erweisen sollte.
Zamoyski hat sich gut in die einschlägigen Quellen eingearbeitet und seine
Bewertung des Kongresses ist grundsätzlich negativ - nicht ohne Grund. Es
stimmt zwar, dass der Kongress auf den ersten Blick eine Nachkriegsordnung
schuf, aber diese konservierte viele politische Konfliktpunkte nur. All dies
führte nicht direkt zur komplizierten Lage von 1914, als sich die Großmächte
in Europa erneut zum Krieg formierten, doch wies der Kongress in eine Zukunft,
in der man nur mühselig die eben erstrittene Ordnung aufrecht erhalten konnte.
Fazit
Zamoyskis Darstellung ist sicherlich nicht die einzig wahre Sicht auf die
Ereignisse, das ist bei so komplexen historischen Fragen faktisch nie der Fall.
Zamoyski bietet aber eine interessante und gut formulierte Darstellung, die zum
Nachdenken anregt.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 07. Januar 2015 2015-01-07 19:51:12