Ich habe das Buch von Jan Seghers mit großem Interesse gelesen. Allerdings kann
ich mich vielen euphorischen Kundenrezensionen nicht ganz anschließen.
Inhalt:
Eine Journalistin wird in einem Frankfurter Hotel nahe des Zoos ermordet.
Offensichtlich war sie einer Verschwörung auf der Spur, die sich um die
Ereignisse der hessischen Landtagswahl 2008 drehte. Damals hatten 4 Abgeordnete
der SPD ihrer Spitzenkandidatin Ypsilanti - im Buch heißt sie Xanthopolous -
ihre Stimme für die geplante Ministerpräsidenten-Wahl verweigert. Musste die
Journalistin Herlinde Scherer deshalb sterben? Ein komplizierter Fall für
Kommissar Marthaler, zumal sich auch das LKA in die Ermittlungen
einschaltet....
Bewertung:
Jan Seghers schreibt einen flüssigen Stil und er schafft es, Spannung bis zum
Ende zu erzeugen. Dies ist zweifellos gelungen, insofern ist das Buch nicht
schlecht. Es hat mich dennoch - und daher der Abzug an den Sternen - nicht
restlos überzeugt. Ich mag "graue Charaktere" und finde es schade,
wenn die schwarz-weiß gezeichneten Hauptschurken gleich zu Beginn der Handlung
so "offensichtlich" werden, dass der Leser sofort erahnt: nur diese
Person kann der "Täter" sein, diese Person hat den Mord begangen oder
veranlasst. Ohne etwas vom Inhalt verraten zu wollen, kann so viel gesagt
werden: dies ist leider der Fall. Der "Haupttäter" ist ein so
offensichtlich "böse", dass der Leser sofort weiß, dass er die Tat
begangen hat und er kennt auch das Motiv. Der Krimi ist aus diesem Grunde
äußerst vorhersehbar. Zwar legt Seghers noch alternative "Fährten",
diese haben mich aber nicht überzeugen können. Die Handlung wirkt in
Einzelheiten auch sehr konstruiert und stellenweise nicht immer glaubhaft. So
raubt der Täter wichtige Beweisstücke der Tat, verschließt sie aber nicht
richtig, sodass diese Beweise ohne Probleme gesichert und am Ende Marthaler
zugespielt werden können. Dazu ist der Täter jedoch eigentlich zu intelligent.
Er hätte die Beweise doch entweder vernichtet oder so verwahrt, dass niemand
anders sie problemlos hätte entwenden können.
Zum zweiten hatte ich - zugegebermaßen in falscher Erwartung der Handlung -
stärker einen Polit-Thriller erwartet, etwa im Stile des Buches:
"Ausgekocht" von Pit van Bebenburg über die hessischen Ereignisse.
Ja, sie spielen in diesem Fall eine Rolle, aber sie werden nicht vertieft, sie
dienen eher als dekorativer Hintergrund. Außerdem erscheint der
Ministerpräsident - auch wenn er eine fiktive Person ist, weiß doch jeder
Leser, wer da nur gemeint sein kann - mir zu sehr als passiv
"Getriebener" seines Regierungssprechers und dies erscheint mir doch,
wenn man Pit van Bebenburgs Buch oder andere Darstellungen über die Ereignisse
in Hessen aus dem Jahre 2008 liest, sehr zweifelhaft.
Zum dritten finde ich, dass das Buch Längen hat. Was trägt Marthalers Freundin
Theresa zur Aufklärung des Falles bei? Ihre Geschichte und ihre Beziehung zum
Kommissar erscheint hier rein dekorativ. zu bald muss sie der zweiten
"Detektivin" des Romans, Marthalers Bekannten aus einem früheren
Fall, Anna, weichen. Dann frage ich mich: Warum wurde Theresa überhaupt in den
Band hereingenommen?
Zum vierten finde ich die Geschichte um Suleyman, den Streuner, ausgesprochen
konstruiert und ich bin mit dieser Figur und seinen Handlungen nicht
warmgeworden. Ich hatte das Gefühl, der Autor wollte zu viel: wie er selber in
"Hallo Hessen" erkärte, hat er auch die Affäre Edarthy mit in sein
Buch hineingenommen und diese mit den Ereignissen um die Hessen-Wahl 2008
verknüft. Meines Erachtens zu viel des Guten und daher zu konstruiert.
Fazit
Insofern ziehe ich für mich folgendes Fazit: sicherlich kein schlechter Krimi,
was Stil und die Fähigkeit, einen Spannungsbogen aufzubauen, betrifft, mir
aber zu eindimensional in der Charakterzeichnung, stellenweise zu sehr
vorhersehbar und in Teilen der Handlung zu konstruiert und nicht immer
glaubhaft.
Mich hat das Buch daher nicht völlig überzeugen können.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 11. Dezember 2014 2014-12-11 20:02:13