Quidquid agis, prudenter agas et respice finem - Was du tust, tue klug und
bedenke das Ende. Diese aufwendig gestalteten, mit Blattgold ausgelegten Lettern
zierten das hohe Deelentor des dreistöckigen, herrschaftlichen Fachwerkhauses,
das Johann Caspar Gerstenberg 1618 am Hellweg in Geseke hatte erbauen lassen.
Für sich und seine Familie sollte es Heimstätte und Zufluchtsort sein, es
sollte ihnen Wohlstand und Behaglichkeit bieten und auch den nachfolgenden
Generationen in seinen Mauern Sicherheit und Zusammenhalt gewähren. Das Glück
schien ihm hold zu sein, die Geschäfte des erfolgreichen Getreidehändlers
liefen hervorragend, und sein Ansehen in der Geseker Bürgerschaft war untadelig
und ohne Makel, seine Großzügigkeit gegenüber den Nichtbegüterten machte ihn
beliebt und gern gesehen. Auch seine Familie führte an seiner Seite ein
gottgefälliges, ehrsames Leben und Margareth, seine Frau, stand in musterhafter
Manier dem Haushalt vor und besorgte die Erziehung ihrer sechs Kinder. In diese
heile, bürgerliche Welt brach der Krieg ein, der von allen Bürgern seine Opfer
forderte. Auch Johann Caspar zog mit Anfang Dreißig gegen die herzoglichen
Truppen, um seine Heimat zu verteidigen und zehn Jahre später waren es seine
vier Söhne, die sich den Glaubensfeinden entgegenstellten um ihrer Heimatstadt
erneut zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Bartholomäus und Marten kehrten nicht
wieder heim, von Laurentz, dem jungen Mediziner, fehlte bisher ein
Lebenszeichen, aber Caspar, der Älteste, den der Vater insgeheim als
Geschäfts-Nachfolger auserkoren hatte, stand eines Tages verletzt und
erschöpft aber lebend vor dem Haus. Die Zukunftspläne, die Johann Caspar
hegte, galten jedoch nicht nur seinem Sohn sondern auch den beiden Töchtern
Bettlin und Martha, wobei er sich um eine Verehelichung der auffallend schönen
Bettlin keine Sorgen machte. Das Schicksal allerdings hatte andere Pläne mit
der Familie Gerstenberg und bedrohte die Familiendynastie mit verhängnisvoller
Unerbittlichkeit. Eine Woge von Schuld, Hoffahrt, Lüge und Betrug begrub
Anstand, Ehre, Gottesfurcht und Menschenliebe unter sich und vernichtete im
Zeichen von Völkerhass, Pest und Inquisition, was für Generationen Bestand
haben sollte.
Charlotte Schroeter hat ein hervorragendes Debüt geschrieben. Sehr
eindrucksvoll erzählt sie in ihrem Buch den Werdegang einer Geseker Familie,
die zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts dort am Hellweg gelebt und gelitten
hat. Ihr Roman ist eine gekonnte Mischung aus Familiensaga und akribisch
recherchierter Geschichtshistorie, die Personen geben der sachlichen Information
ein Gesicht und rücken sie nahe an den Leser heran. Die Autorin selbst
allerdings scheint in ihrer Schilderung eine gewisse Abständigkeit zu den
Protagonisten und ihrem Lebensverlauf zu bewahren, sodass dem Leser die
Möglichkeit bleibt, sich unbeeinflusst und ganz nach eigenem Ermessen zu
positionieren und seine Einstellung zu diesem Debüt zu finden. Der flüssige,
wortgewandte Schreibstil und die fesselnde Thematik verschaffen dem Leser
ausgefüllte, sehr interessante Lesestunden.
Fazit
Von meiner Seite spreche ich gerne eine Leseempfehlung aus. Sehr gute
Kombination zwischen Geschichtshistorie und Gesellschaftsroman.
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 29. November 2014 2014-11-29 12:28:38