Im Jahre 1943 flieht die jüdische Ärztin Hanna Mai mit ihren töchtern Minna
und Malka in Polen vor den nationalsozialistischen neuen Machthabern. Hanna, die
Mutter, sieht zunächst keine Gefahr durch die "Aktionen", die von SS
und Gestapo ausgehen. Doch in letzter Minute entschließt sie sich zur Flucht -
Hals über Kopf. Da wird ihre Tochter im benachbarten Ungarn, unter dem
Horthy-Regime Bündnispartner Deutschlands, krank. Malka wird bei einer
Bauernfamilie zurückgelassen. Ihr Lebens- und Leidensweg, stellvertretend für
viele Schicksale, ist ungeheuer faszinierend beschrieben. Die Autorin Miriam
Pressler, eine der produktivsten und bekanntesten Kinder- und
Jugendbuchautorinnen Deutschlands, hat hier die Geschichte einer ihr bekannten
realen Person, Malka, als Grundlage für einen rein fiktiven Roman genommen. Wie
zahlreiche andere Werke der Kriegs- und Nachkriegszeit Josef Holub, Christine
Nöstlinger,
Peter
Härtling oder den Büchern des von - ebenfalls von Miriam Pressler
übersetzten - Uri Orlov), wird deutlich, welche Kraft und Vitalität Kinder
haben mußten, um in dieser Zeit zu überleben. Dieses vielfach preisgekrönte
Buch zeigt auf, wie plötzlich behütete Kindheit zerstört wird durch die
brutalen äußeren Ereignisse.
Die wirkliche Malka Mai kommt, wie die Autorin im Nachwort berichtet, nach
Budapest und 1944 nach Palästina, wo sie ihre Mutter wieder trifft. Doch eine
echte Beziehung entsteht nicht. Malka und ihre Schwester Minna lebten zunächst
mit dem Vater im Kibbuz. Ihre Mutter wanderte erst 1948 nach Israel aus.
Der Roman ist vielschichtig: nicht nur werden die Leiden der Kriegs- und
Nachkriegszeit - etwa die alltägliche Präsenz des Hungers - packend
geschildert (so gibt es Esstage und Hungertage, wobei letztere überwiegen; der
Heißhunger nach warmen Kastanien etwa läßt den heutigen Leser richtig
"mitleiden"), die uns bewußt werden lassen, wie gut es uns geht. Der
Roman zeigt auch den Bruch der Mutter-Tochter-Beziehung auf und ist meines
Erachtens von der Kritik zu recht als Roman einer "verletzten
Kindheit" bezeichnet worden. Wieviele "verletzte Kinder" konnten
überhaupt überleben? Wieviele namenlose Malkas sind gestorben? Etwa an der
Krankheit Typhus, an welcher Malka auch erkrankt? Doch sie hat Glück - sie
überlebt.
Fazit
Ein packend geschriebener Roman über die düsterste Zeit unserer Geschichte von
einer Autorin, die genau recherchiert hat - unbedingt lesenswert und meines
Erachtens zu recht vielfach preisgekrönt wurde.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 24. Januar 2004 2004-01-24 19:11:14