Bei der Organisation der Dienststelle Claudius Zorns muss irrtümlich die
Dienstaufsicht vergessen worden sein. Anders ist es kaum zu erklären, dass Zorn
sich bisher erfolgreich vor der Arbeit drücken konnte und die Ermittlungsarbeit
bescheiden und effektiv von Zorns Kollegen Schröder erledigt wurde. Doch nun
ist Schröder in einer privaten Krise aus dem Dienst ausgeschieden, und Zorns
dienstliche Probleme sind nicht mehr zu übersehen. Zorn hasst jeden Menschen,
der nicht Schröder ist. Sicher hat Zorn auch menschenfreundliche Emotionen,
aber er versteht sie zu verbergen. Es ist nur schwer zu übersehen, dass der
Ermittler körperlich und psychisch allmählich vor die Hunde gegangen ist. Die
nächste Fitnessprüfung wird das Ende von Zorns Karriere sein.
In Zorns leicht heruntergekommener ostdeutscher Heimatstadt hat es einige
merkwürdige Todesfälle gegeben. Für die Ermittler klingen die Todesumstände
zwar sonderbar, aber noch nicht verdächtig. An düsteren Wintertagen sterben
manche älteren Menschen eben sehr plötzlich. Wenn niemand misstrauisch wird,
bedeckt der stetig fallende Schnee mögliche Spuren sofort wieder. Zorn ist noch
nicht auf Zusammenhänge zwischen den Taten aufmerksam geworden, wohl aber
Stephan Ludwigs Leser, die dem Täter aus der allwissenden Erzählperspektive
direkt auf die Finger schauen können. Offensichtlich arbeitet ein Serienmörder
zusammen mit einem Assistenten, der völlig auf den Haupttäter fixiert ist und
ihm unbedingt gefallen will. Für das Erfolgserlebnis des Täters spielt sein
Zuhörer eine entscheidende Rolle. Zorn scheint durchgeknallte Typen förmlich
anzuziehen. Der Serientäter zieht sein Netz immer enger - genau um Zorn,
Schröder und ihre direkten Angehörigen herum. Während dichter Schnee
heruntergekommene und kaum noch genutzte Bauwerke bedeckt, geht Zorn endlich
auf, dass er es mit zusammenhängenden Todesfällen zu tun hat, und eine
dramatische Serienmörderjagd im dichten Schneetreiben beginnt. Schröder und
Zorn kämpfen jeder für sich um das Leben des anderen Kollegen.
Fazit
Stephan Ludwigs Zorn-Krimis leben vom düsteren, bröckelnden Charme
ostdeutscher Leerstände und seiner nüchternen Schilderung des unverschämten
Claudias Zorn. Als Leser entwickelt man eine beinahe perverse Zuneigung zu
einer Hautfigur, die als Kollege einfach nur hassenswert wäre.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 25. Oktober 2014 2014-10-25 10:04:09