Val McDermid ist eine Meisterin ihres Fachs. Und mit diesem Thriller stellt sie
einen weiteren Fall für Carol Jordan und Tony Hill vor. Einmal mehr führt die
Autorin die Leser in die Abgründe der menschlichen Psyche. Der
Polizeipsychologe Tony Hill wurde zu einer Haftstrafe verurteilt und sitzt nun
im Knast. Seine Partnerin Carol Jordan ist aus dem Polizeidienst entlassen, hat
mit dem Trinken aufgehört und versucht nun, sich aus dem depressiven Sumpf zu
befreien. Das Team der Sondereinheit ReMIT von den beiden hat einen neuen Chef
bekommen, der zudem eine wenig praxisgewohnte Mitarbeiterin mitgebracht hat. Er
selbst ist nur auf sein Ansehen und seine Karriere fixiert. Nach seinem Einstieg
bei dieser Truppe fällt ihm nichts anderes als eine Teambuilding-Maßnahme zum
"besseren Kennenlernen" ein. Doch dann werden an einem ehemaligen
Kloster dreißig Leichen gefunden. Der neue Chef vom ReMIT hofft auf ein
Prestigeobjekt und reißt die Ermittlungen an sich. Dann muss er weitere
Überraschungen erleben.
Wie in vielen modernen Thrillern und Krimis geht es in diesem Roman nicht um
eine geradlinige Ermittlung, nicht um einen einzigen Fall. Die verschiedenen
Stränge erwachsen aus den einzelnen Figuren. Zwar bilden die Leichen einen
Schirm, aber die einzelnen Geschichten um die Figuren machen erst den gesamten
Roman spannend und fesselten mich beim Lesen. Denn keinem der Beteiligten geht
es zu Beginn so richtig gut. Nicht einmal zum Ende des Romans, aber da gibt es
wenigstens Hoffnungsschimmer zur Versöhnung. Val McDermid ist halt eine
Meisterin ihres Fachs.
Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat aus dem fiktive Sachbuch des
Kriminalpsychologen Dr Tony Hill. Hier nennt er Regeln zum Profiling. Diese
Gestaltung ist sehr passend, denn Tony Hill will im Gefängnis ein Buch
schreiben, wofür er zuvor nie die Zeit hatte. Die gesamte Geschichte selbst
wird jeweils aus der Sicht der für den Strang forcierten Protagonisten
erzählt. Dies geschieht in den einzelnen Kapiteln. Nach jedem Kapitel wechselt
die Perspektive und erzählt wird die Handlung der jeweiligen Hauptfigur.
Natürlich aber bedingen die Kapitel einander. Es wäre zu simpel anzunehmen,
man könne sich alle Kapitel beispielsweise um Carol Jordan heraussuchen,
nacheinander lesen und dann hätte man eine Geschichte innerhalb der Geflechts
abgeschlossen. Das wäre zu einfach. Dafür werden zu viele Informationen zu
dieser parallelen Geschichte auch in den anderen Kapiteln hinterlassen.
Das Thema der verbuddelte Mädchenleichen ist eines, wie sich herausgestellt
hat, das die britische Literatur schon lange beschäftigt. In den letzten drei
Jahrzehnten gab es immer wieder entsprechend spekulative Enthüllungen. Zwar
spricht McDermid vom Orden der "Seligen Perlen", aber tatsächlich
sind diese Vorfälle unter dem Namen der "Barmherzigen Schwestern" –
so auch ein Filmtitel- bekannt. Wer mehr über diese Verbrechen in
unterhaltendes Romanform erfahren möchte, sollte einmal einen Blick in die
Bücher »Auf den den zerbrochenen Flügeln der Freiheit« von Rebecca Michéle
und »Das Haus der Verlassenen« von Emily Gunnis werfen.
Fazit
»Der Knochengarten« ist sehr zu empfehlen, wenn man nicht immer geradeaus
ermitteln sondern viel über Menschen erfahren möchte. Schicksale und
Beziehungen sowie Konflikte von Val McDermid in vollendeter Form spannend
präsentiert!
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 16. Juni 2020 2020-06-16 10:37:14