Diese Jesse-Stone-Roman verlief ganz anders als die drei zuvor von mir
besprochenen Romane des amerikanischen, leider schon verstorbenen,
Schriftstellers Robert B. Parker. Der Stil blieb natürlich unverändert, nur
war das Tatgeschehen nicht parallel zu den Ermittlungen miterlebbar. Dieses Mal
ermittelt der alkoholabhängige Polizist, der in LA wegen seines Problems
gefeuert worden war und an der Ostküste in einem kleinen Kaff namens Paradise
den Job des Polizeichefs erhielt, in einem einzigen Handlungsstrang. Ein
klassischer Ermittlerkrimi, bei dem der Schritt, den die Ganoven (meist) voraus
sind, nicht mit einem Blick auf deren Szene gesehen werden kann. Dieser Stil
bedeutet keines Falls, dass der Roman an Spannung verliert. Die Figur des Jesse
Stone (in den Filmen von Tom Selleck gespielt) wird tiefer beleuchtet, die
Frage, ob und wie er an den Täter gelangt, wird detailreicher geschildert.
Es wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden, eines Teenagers. Bereits bei
der Feststellung ihrer Identität stößt Jesse mit seinem Team auf
Ungereimtheiten. Das Mädchen war nicht mehr zur Schule gekommen, ein Gespräch
mit ihren Eltern erfolgte ergebnislos, denn diese behaupteten, keine Tochter mit
ihrem Namen zu haben. Die Ermittlungen führen zu den Geschwistern und
schließlich zu einer Nonne, die sich in Boston, aus der das Opfer stammt, einem
sozialen Projekt verschrieben hat. Sie möchte minderjährige Mädchen vor dem
Absturz in die Prostitution bewahren.
Wie gewohnt sind die dienstlichen Belange eng mit dem Privatleben Jesse Stones
verknüpft. Jesse lernt die Lehrerin des Opfers kennen. In amüsanter Weise
flirten beide miteinander und nähern sich einander an. Lilly Summers ist nach
einem ausgezehrten Leben endlich wieder in der Lage zu lieben. Als sie Jesse
ihre Liebe gesteht, möchte er ihr diese Liebe nicht im gleichen Maße
bestätigen. Wohl aber bietet er ihr eine feste Freundschaft an. Jesse hat immer
noch nicht die Hoffnung aufgegeben, seine Ex-Frau wieder zurückzuerobern.
Schließlich trifft er sie auch in diesem Roman mehr als ein Mal.
Wer diesen Roman zur Hand nimmt, und das ist jedem zu empfehlen, der Krimis mag,
der wird einen zweifelnden Ermittler erleben, dessen Privatleben betreffend,
aber einen knallharten Cop, das dienstliche Geschehen betreffend, liebenswerte
Polizeikollegen und andere Leute kennenlernen. Jesse Stone ist eine höchst
interessant gestaltete Figur von Robert B. Parker, der zuvor auch schon den in
vielen Fernsehfolgen verfilmten Privatdetektiv Spenser (mit Robert Urich in der
Titelrolle) geschaffen hatte. Ich frage mich nach diesem vierten
Jesse-Stone-Roman immer noch: Was war zuerst da? Die fiktive Figur Jesse Stone?
Oder der Schauspieler Tom Selleck, dem die Figur auf den Leib geschrieben
scheint. Möglicherweise ist daran aber auch die deutsche Übersetzung schuld?
Sie ist jedenfalls sehr gut gelungen.
Fazit
Auch für diesen Roman ein "Daumen hoch!".
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 23. September 2014 2014-09-23 17:17:00