Harry und Robin lebten im Jahr 2005 in Tanger. Harry ließ damals seinen
schlafenden Sohn kurz allein und findet bei seiner Rückkehr das Haus zerstört
durch ein Erdbeben vor, von Dillon fehlt jede Spur. Ein paar Jahre später ist
das Paar nach Dublin zurückgekehrt. Robin ist damit beschäftigt, das vom
Großvater übernommene Haus zu renovieren. Die junge Architektin ist wieder
schwanger. Seit Dillons Tod kann Robin ihrem Mann nicht mehr trauen, ihm kein
Kind mehr anvertrauen. Offenbar hat das Paar seine Trauer über Dillons Tod nie
verarbeiten können. Während Irland aktuell vom Protest gegen den
Rettungsschirm der EU in Anspruch genommen ist, hat Harry begonnen wieder zu
malen. Harry leidet deutlich unter Wahnvorstellungen. Seine Bilder geben Anlass
zu höchster Sorge um seinen psychischen Zustand; denn Harry lässt seinen Sohn
in seinen Bildern weiterleben und heranwachsen. Er belügt seine Frau, so dass
man sich als Leser fragt, ob die Ereignisse in Tanger am Tag von Dillons
Verschwinden auch völlig anders verlaufen sein könnten als Harry behauptet.
Cosimo, der Vermieter des Hauses in Tanger, hatte auf den labilen Harry damals
offenbar einen reichlich schlechten Einfluss. Von plausiblen Erklärungen der
Ereignisse bis zur Möglichkeit, dass ein gefährlicher Psychopath am Werke ist,
scheint alles denkbar. Je weiter man in Harrys Vergangenheit vordringt, umso
dubioser wirkt die Geschichte und umso mehr Angst muss man um Robin haben.
Irland und England versinken im in der Gegenwart spielenden Handlungsstrang
unter einer ungewöhnlich dicken Schneedecke, als plötzlich eine dritte
Erzählerstimme auftaucht mit einer eigenen Sicht auf die Dinge. Die Verwirrung
scheint perfekt.
Fazit
Drei Erzähler, davon zwei in der Ichform, zwei Zeitebenen, eine Stimmung wie im
klassischen Schauerroman, unterlegt vom gegenseitigen Misstrauen eines Paars in
der Krise sind die Zutaten zu einem Psychothriller, der seine Leser förmlich um
Dillon und Robin fiebern lässt. Für Leser, die sich gern durch ein
Kinderschicksal anrühren lassen, meine Leseempfehlung.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 19. April 2014 2014-04-19 18:50:24