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Arnulf Zitelmann: "Widerrufen kann ich nicht": Die Lebensgeschichte des Martin Luther

"Widerrufen kann ich nicht": Die Lebensgeschichte des Martin Luther

von Arnulf Zitelmann
Verlag: Beltz & Gelberg [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Biografie
ISBN-13 978-3-407-78813-9

Preis: 4,16 Euro bei Amazon.de [Stand: 20. November 2024]
Ich habe mir jetzt im Kino den Film "Luther" angesehen. Dieser und der Artikel im "Spiegel" war für mich Anlass, mich erneut mit seiner Lebensgeschichte zu befassen. Hier bietet sich das vorliegende Werk wie kaum ein anderes an. Der Pädagoge Zitelmann schafft es, die Biographie eines der "größten Deutschen" fesselnd nahezubringen. Die Widersprüchlichkeit dieses Mannes, der es schaffte, in einem halben Jahrhundert die Welt umzukrempeln (1555, zur Zeit des Augsburger Religionsfriedens sind 55% der Bevölkerung evangelisch), wird ebenso deutlich gemacht wie deutlich wird, dass die Zeit Luthers generell eine Zeit gesellschaftlicher und geistiger Umbrüche darstellt - Thomas Morus schreibt sein "Utopia" in dieser Zeit, Vasco da Gama entdeckt den Seeweg über das Kap der Guten Hoffnung, Amerigo Vespucci den Amazonasstrom. Ein Weltbild wankt. Zitelmann verdeutlicht Alltag und Weltbild des mittelalterlichen Menschen. Beiläufig erfährt man etwa Einzelheiten über das neu eingerichtete Schulwesen und das Amt des Schulmeisters. Überhaupt legt die vorliegende Biographie den Schwerpunkt sehr auf das gesellschaftliche Leben und die sozialen Spannungen des Mittelalters. Dies wird besonders durch die ausführliche Schilderung der Ursachen des Bauernkrieges und Luthers Haltung zu seinem Widersacher, dem Bauernführer Thomas Müntzer, deutlich. Müntzer werde zu recht im Zusammenhang mit Luther gesehen und sei ohne diesen nicht zu denken. Wer sich hierfür näher interessiert, sollte die ebenfalls von Zitelmann verfasste Thomas-Müntzer-Biographie: "Ich will donnern über sie" (auch bei Beltz & Gelberg erschienen) lesen.
Eine Biographie ist für mich dann gelungen, wenn sie die Wechselwirkung zwischen dem Leben des Einzelnen und seinen Einfluss auf die Gesellschaft, in der er wirkt, herausarbeitet. Der Einzelne wird bedeutend, weil die "Zeit reif" ist, die gesellschaftlichen Umstände dies zulassen. Dies war im Zeitalter des 16. Jahrhunderts, einer Zeit des Umbruches ebenso wie heute, der Fall. Insofern ist Zitelmanns Werk gut gelungen.

Allerdings muss ich kritisieren, dass Luther insgesamt zu positiv gesehen wird. Zwar wird das Vulkanische, das Widersprüchliche seiner Person gut herausgearbeitet. Sein Wandel zum Antisemiten wird jedoch auf S. 188 eher verschämt dargestellt als wirklich erklärt. Welche Wirkung die anitjüdischen Hetzschriften seiner letzten Lebensjahre gehabt haben, wird nicht erläutert. Auch sein patriarchalisches Denken wird zwar erwähnt, seine fatale Wirkung des Bündnisses zwischen Altar und Thron (vgl. den hervorragenden Artikel des "Spiegel" zu Luther in dieser Hinsicht) nicht herausgearbeitet.

Allerdings muss man wissen, dass diese Biographie in erster Linie zur Erstinformation gedacht ist. Zielgruppe des zu recht auf die Auswahlliste des deutschen Jugendliteraturpreises gesetzten Buches sind in erster Linie Jugendliche und junge Erwachsene, wie in der gesamten biographischen Reihe des Verlages Beltz & Gelberg.
Fazit
Misst man die vorliegende Lebensbeschreibung an diesen Ansprüchen, so ist - insbesondere im Vergleich mit dem vollkommen unvollständigen Luther-Film - eine solide Biographie entstanden, die meines Erachtens auch fesselnd zu lesen ist.
7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 30. Dezember 2003

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