Die Frankfurter Buchmesse im Jahre 2003 stellte schwerpunktmäßig
Neuerscheinungen russischer Literatur vor. Zu diesem Anlass gab Fritz Mierau,
von dem ich eine wunderbare Gedichtsausgabe Jessenins besitze, Texte, in der
Regel kurze Erzählungen, der russischen Moderne heraus. Verstanden werden dabei
Erzähler, die im vergangenen Jahrhundert publiziert haben und durch das
Ereignis der russischen Revolution geprägt worden sind. Politische, utopische
und phantastische Texte prägen die vorliegende Anthologie. So finden sich unter
den 26 Prosatexten unter anderem Sosuljas grandiose Satire: "Die Geschichte
von Ak und der Menschheit" oder Platonows: "Makar beginnt zu
zweifeln". Auch Samjatins "Höhle" ist unter den Texten zu
finden. Versammelt sind Erzählungen von Anna Achmatowa bis Marina Zwetajewa.
Sie geben einen Eindruck in die literarischen Strömungen der russischen
Literatur des 20. Jahrhunderts. Wie Fritz Mierau in seinem Vorwort zu recht
schreibt, führten die politischen Umwälzungen dazu, dass feinsinnige
Anspielungen auf die als umwälzend empfundenen Ereignisse zunehmen: "In
der russischen Moderne erreichte die Kunst der Gleichnisse nun eine Höhe, von
der aus sie unser Zeitalter in sienem Übermut und seiner Vermessenheit von
Anfang an treffend zu taxieren wußte." Die Geschichten berichten davon,
wie sich Menschen in Zeiten des Terrors wehren, wie sie in ihrem Stat nicht nur
überleben, sondern auch leben, um einen "Schlüssel des Glücks" - so
die Überschrift über die ersten sieben Texte - zu finden.
Während der Band: "Rußland, 21 neue Erzähler" aus dem Deutschen
Taschenbuch-Verlag junge und damit neue russische Autoren der Gegenwart
vorstellt, gibt der vorliegende Band einen Überblick über die bedeutenden
Autoren des vergangenen 20. Jahrhunderts. Er ist damit am ehesten zu vergleichen
mit dem Band: "Russische Erzählungen von der Oktoberrevolution bis zur
Gegenwart" aus dem Reclam-Verlag, während der Band: "Zwischen Himmel
und Erde" aus dem Insel-Verlag den geglückten Versuch unternimmt, die
gesamte russische Literatur vom 18. Jahrhundert bis heute, von Karamsin bis
Pelewin und Warlamow vorzustellen.
Der vorliegende Band zeigt im Unterschied dazu wunderbar die Vielfältigkeit der
russischen Prosa im vergangenen Jahrhundert auf und ist auch besonders liebevoll
editiert. Jede Erzählung wird durch eine charakteristische Zeichnung
eingeleitet (Bildnachweise am Schluss). Auch die Autoren werden - entweder mit
Fotographie oder Zeichnung - am Ende in kurzen Lebensläufen portraitiert. Der
Titel: "Kauderwelsch des Lebens" bezieht sich auf die Titelheldein in
Nabokovs Erzählung: "Frühling in Fialta", die hier enthalten ist.
Fazit
"Uns wird eine literarische Epoche, die russische Moderne, in schöner
Klarheit abermals neu entdeckt, in Liebe rehabilitiert und zum Fortwirken in den
Herzen empfohlen" - so die Mitteldeutsche Zeitung im Zitat auf dem
Buchrücken. Schöner kann man es nicht ausdrücken.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 30. Dezember 2003 2003-12-30 13:00:04