Zunächst muss konstatiert werden, dass "Stadt der Angst" ein weiterer
Folgeband der Trilogie "
Die
Kinder vom Arbat" ist. Der erste und künstlerisch eindrucksvollste
Band ist "Die Kinder vom Arbat", der mit dem 17. Parteitag im Februar
1934 beginnt, auf dem Josef Stalin seine Macht festigt und mit der - vermutlich
von diesem veranlassten - Ermordung seines Rivalen, des Moskauer
Stadtparteichefs Kirow, endet. Der erste Folgeband: "Jahre des
Terrors" schildert die Jahre 1935/36 mit den stalinistischen
Schauprozessen. Dieser Band scheint nicht mehr aufgelegt zu werden. Ihm
schließt sich der vorliegende Band: "Moskau, Stadt der Angst" an. Wie
aus dem "Roman der Erinnerung", den Memoiren Rybakows, hervorgeht,
bilden: "Jahre des Terrors" und "Stadt der Angst" den
zweiten Teil der Trilogie. Der dritte Teil: "Staub und Asche" ist
leider auf Deutsch nie aufgelegt worden und vollendet die Erlebnisse des Autors,
der im Roman Sascha Pankratow heißt und seiner Geliebten Warja, deren Schicksal
sich im Zweiten Weltkrieg vollendet. Dieser dritte Teil ist leider nur auf
Englisch mühsam zu erhalten.
Das besondere an diesen Bänden ist, dass - mit Ausnahme von Alexander Beks:
"Die Ernennung" Stalin selber auftritt. In diesen Bänden rückt er
mehr und mehr in den Mittelpunkt, die Erlebnisse der "Kinder vom
Arbat", d.h. des Idealisten Sascha Pankratows und Warjas einerseits und
seines Gegenspielers Jura Scharoks andererseits, der bei der Geheimpolizei
Karriere macht, werden hier fortgesetzt. Sascha muss von einem Ort zum anderen
in die Verbannung fliehen. Ob es ihm gelingt, seine Mutter und Warja
wiederzusehen?
Dieser Fortsetzung fehlt es leider eindeutig an der Gestaltungskraft des
Erstlingswerkes, wie zahlreiche Kritiken zu recht bemerkt haben. Dennoch kenne
ich, mit Ausnahme des erwähnten Buches von Alexander Bek und Lydia
Tschukowskajas: "Sofja Petrowna" keinen besseren Roman über den
Stalinismus, wenn man die Dokumentationen von Rogowins über die Stalinzeit
außer acht lässt, die die Atmosphäre jener Zeit ebenfalls akribisch
nachzeichnen.
Die Brutalität, Härte und Skrupellosigkeit Stalins wird hervorragend
herausgearbeitet. Allerdings werden die Fehler des Systems auch nur diesem zur
Last gelegt. Pankratow wirkt wie ein früher Gorbatschow. Wenn die Idealisten
gesiegt hätten, so die Botschaft des Buches, wäre es zu den beklagenswerten
Fehlentwicklungen möglicherweise nicht gekommen. Opportunismus wird heftig
angeprangert, doch das Schicksal Saschas ändert sich nicht. Lediglich seinen
Onkel, der ihn in dem ersten Band: "Die Kinder des Arbat" nicht
geschützt und vor der Verhaftung bewahrt hat, trifft die gerechte Strafe: er
fällt den Säuberungen Stalins zum Opfer.
Klasse gemacht ist die Zeichnung der düsteren Atmosphäre, die in der
Hinrichtung der bekanntesten Gegenspieler Stalins, unter anderem Sinowjews und
Kamenews, endet. Insofern ein zwiespältiges Fazit: es fehlt das Ende, der
letzte Band, der im Deutschen nicht übersetzt wurde und die gestalterische
Kraft des ersten Bandes haben beide Folgebände: "Jahre des Terros"
und "Moskau, Stadt der Angst", nicht. Allerdings wird hier dennoch
insgesamt ein unübertroffenes Bild der Stalinzeit von einem Betroffenen
gezeichnet, denn Rybakow ist Sascha und hat all die Erlebnisse gehabt. Auch die
Szenen mit Stalin sind authentisch.