Liebe Haß und "draußen stehen"
"Mit Dees Verschwinden änderte sich alles; es war, als hätte sich eine
Wolke vor die Sonne geschoben. Sofort überschlugen sich die Stimmen"
Wer nun aber den Original "Othello" im Hinterkopf hat (und Chevalier
lehnt sich in ihrer, in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA
spielender Geschichte eng an Shakespeare an) und das "klassische Ende
"Othello ermordet Desdemona und wählt dann den Freitod), der wird doch
einen etwas anderen Ausgang der Geschichte erleben. Was aber am Ende doch der
Intention des Originals entsprechen wird. Denn, neben der Macht der Liebe und,
vor allem, der zerstörerischen Kraft der Eifersucht, dreht und wendet sich
"Othello" wie "Der Neue" um die perfide Intrige.
Um das "anders sein", das an sich bereits zu Ablehnung führt, und sei
sie lange Zeit noch so gut verborgen. "Zorn, Verachtung, Angst,
Arglist". Das sind Gefühle und Zustände an der, zunächst so
"ordentlich" wirkenden Schule, auf die der junge, schwarze Osei, aus
gutem Haus, Diplomatensohn, zu Beginn des Werkes seinen ersten Schultag antritt.
Im Bemühen, von Beginn an, sich zu integrieren. Im Wissen, dass er auf Dauer
wenig Chancen als Fremder und dunkelhäutiger Mensch unter all diesen einander
gleichenden Jugendlichen haben wird.
Doch die Dinge entwickeln sich, eigentlich von Beginn an, anders als sich Osei
das vorgenommen hätte und Ian ("Jago") und er, Osei
("Othello") sind als gegnerische Pole gesetzt. Wobei Ian so gut wie
alle Vorteile auf seiner Seite hat. Recht skrupellos für einen eigentlich noch
kleinen Jungen, mit intuitiver Sicherheit mit den Gefühlen und Reaktionen der
anderen spielend und ob der, gerade zum Ende hin, wenig ausgeprägten
Beherrschung Othellos sich schon auf der Zielgeraden wähnend. Doch ganz so
einfach werden es ihm die anderen, auch die Lehrer, am Ende nicht machen. Obwohl
er die "Hauptverbündete" Oseis, Mimmi, zunächst in letzter Sekunde
außer Gefecht setzt.
Doch egal, was sich ergibt, was passieren könnte, wer was weiß und auch dazu
stehen würde, die für Osei wichtigste Person, Dee selbst, hat er am Ende
selber von sich weggestoßen. Unbedachte, verletzende Worte aus eigener
Verletzung heraus, die am Ende nur auf Behauptungen, Einflüsterungen,
geschickten Arrangements seines Kontrahenten bestehen werden, fordern einen
dramatischen Tribut. Ein Ian, der bis zum Ende seine Intrigen weiterspinnt, der
sich aus jeder Schlinge herauszureden und herauszuwinden weiß, den Neid,
Eifersucht, Bösartigkeit an sich treiben.
"Warum hast du das getan"?
"Weil ich es kann"!
Das es dabei um "Stift-Mäppchen" geht, dass eine Horde Kinder das
alles untereinander erlebt, dass manches doch stark aufgebauscht wirkt in der
eher erwachsenen Sprache, die Chevalier benutzt, das führt zwar zu
Irritationen. Der eigentliche Kern aber, wie Machtkämpfe, die spitze,
lügnerische Zunge, die Macht der Emotionen ganze Leben zerstören und Menschen,
zumindest ihrem inneren Gefühl nach, chancenlos dastehen lassen, das hat
Chevalier schon wunderbar in diesem Jugendroman auf den Punkt gebracht. Und
niemand ist am Ende unschuldig.
""Ich wusste nicht, dass er es gegen dich verwenden würde". Was
nicht ganz der Wahrheit entsprach…….(es) war ihr schon klar gewesen, dass er
damit nur Böses im Schilde führen konnte".
Da hilft es auch nicht weiter, wenn einer der Beteiligten Osei mit einem
"Komm da runter, Nigger" versucht, den Jungen in
"Rechenschaft-Nähe" zu bekommen, wieder aus einem Missverstehen des
eigentlichen Geschehens heraus.
Fazit
Flüssig, sprachlich interessant und Intrige, Liebe, Eifersucht und gedankenlose
Leidenschaft als Grundthemen menschlichen Seins aufnehmend ist dies eine
durchaus gelungene Adaption des "Othello", das den Leser an die
Absurdität rassistischer Vorurteile nachhaltig erinnert.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 08. Mai 2018 2018-05-08 10:27:36