Philippa Gregory gilt in den USA als die Meisterin des historischen Romans. In
einem solchen Fall durften die Romane dieser Schriftstellerin nicht an mir
vorbeigehen, ohne eines gelesen zu haben. "Dornenschwestern" ist einer
von mehreren Romanen, der sich der Rosenkriege zwischen den Familien Lancaster
und York im 15. Jahrhundert annimmt. Dabei schildert jeder Roman das gleiche
Geschehen aus der Sicht anderer Personen. Die nicht belegbaren Fakten und
fiktiven Passagen um die Machtkämpfe am englischen Hofe machen diesen Roman
machen jeden dieser Romane zu etwas Besonderem und grenzt ihn gegen die anderen
Romane dieser Reihe ab. Der hier besprochene Roman wird aus der Sicht von Anne
Neville, einer Tochter des sogenannten Königsmachers, erzählt. Angefangen in
ihrer Kindheit schildert sie von ihrem Konkurrenzkampf gegen die ältere
Schwester und davon, dass sie beide nur Spielbälle in den Händen ihres Vaters
sind und nur dazu dienen, ihm eine gute Position am englischen Hofe zu sichern,
ihm ein Hohes Ansehen zu garantieren. Machtkampf, Intrigen, Lügen, Arroganz
sind nur einige Stichworte, die genügend Raum für Spannung geben. Eine
Spannung, die den Leser in den Bann zieht, um zu erfahren, wie es mit Anne
weitergeht. Wie der Machtkampf zwischen den Großen der Geschichte ausgeht, ist
insofern weniger interessant, da man das auch aus den Geschichtsbüchern
erfährt. Aber was dazu geführt hat, ist oft nur Spekulation. Und diese
Spekulation hat Gregory hervorragend in einen spannenden Rahmen gepackt.
So sehr mich der Roman zwar von seinen sehr guten Recherchen und geschichtlichen
Darstellungen überzeugt hat, so wenig konnte mich sein erzählerischer Stil
überzeugen. Erzählerisch ist er eher eine einzige Lüge. Das liegt
zweifelsfrei an der Perspektive, aus der die Handlung erzählt wird. Aus der
Sicht der Protagonistin Anne Neville wird in der ersten Person (ich) und im
Präsenz erzählt. Ein sehr schwieriges, und total misslungenes Unterfangen. Der
Leser ist also unmittelbar in Augenhöhe mit Anne, sieht alles mit ihren Augen
im jetzigen Moment. Da frage ich mich, wie kann sie wissen, was eine andere
Figur denkt? Wenn sie vermuten würde, was der Vater denkt, würde es ja noch
angehen. Aber mit Sicherheit zu benennen, was dieser denkt, ist unmöglich, wenn
es nicht aus seinem Munde kommt. Dieser Fauxpas erreicht leider mit der
Auflösung des Romans auf der letzten Seite seinen Höhepunkt, weshalb hier der
Vertrag zwischen Schriftstellerin und Leser gebrochen wird. Ein weiteres Merkmal
im Erzählstil, den ich aber nicht unbedingt so negativ ankreiden möchte, weil
man sich im Laufe der Geschichte daran gewöhnt, ist der Umstand, dass Gregory
das historische Geschehen, die Schlachten und Kämpfe stets nur mit wenigen
Sätzen erzählt. Sie lässt den Leser diese Szenen nicht miterleben. Es stinkt
nicht nach Pulverdampf oder verbranntem Fleisch, es klirren nicht die Schwerter,
es schnaufen nicht die Rosse. Auch bei Hofe oder in den Gemächern der Figuren
wird nicht mit Bildern gearbeitet. Man spürt die Historikerin Gregory, die ein
sehr fundiertes Wissen zu dieser Historie aufgebaut hat und dieses in
unterhaltender Form an die Leser weitergeben möchte. Aber sie kommt nicht aus
ihrer wissenschaftlichen Ecke heraus und kann sich nicht hineinfühlen in das
Geschehen, sie kann es nur schildern.
Fazit
Mein Fazit ist also durchwachsen. Spannend und interessant für mich in jedem
Fall, jedoch vom schriftstellerischen her nicht überzeugend. Deshalb 5 Sterne
als Mittelweg.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 09. Januar 2014 2014-01-09 15:14:53