Katja Fischer und Radolf Jantzon trafen sich zum ersten Mal im August 1989 in
Prag und damit veränderte das Schicksal ihre Welt. Beide waren Teilnehmer einer
wissenschaftlichen Excursion der Deutsch-Tschechoslowakischen
Literaturgesellschaft, die auf den Spuren deutschsprachiger Dichter und
Schriftsteller wie Kisch und Rilke diese Stadt besuchte. 40 Jahre lang hatte
mittlerweile die Deutsche Demokratische Republik ihre Macht demonstriert, doch
seit Jahren schon gab es pro westliche Strömungen in Polen, Tschechien, Ungarn
und der damaligen CSSR, die mit immer eindringlicheren Demonstrationen die
Reformen Gorbatschows bejubelten - die Starre der Willkür zeigte erste
Schwächen, die Zeit war reif, den Rufen nach Freiheit Tribut zu zollen.
Dieses Jahr des Mauerfalls, das Jahr der Wiedervereinigung eines Volkes, das
zusammengehörte und brutal getrennt worden war, war auch das Schicksalsjahr der
beiden Menschen, die einander sahen und nie wieder voneinander loskommen
konnten. Zwischen ihnen entstand eine Liebe, die nicht sein durfte, weil beide
ihr Leben mit anderen Partnern teilten, und es war auch ein Gefühl, das ihnen
Schmerz brachte, weil die Unterschiedlichkeit ihres Denkens und Handelns sie oft
unüberbrückbar zu trennen schien. Der Verstand sprach seine eigene Sprache,
doch ihre Seelen spürten den Gleichklang, in dessen Rhytmus sie immer wieder
aufeinander zustrebten, ja beinahe "zueinander flohen, weil sie wie Fremde
durch ihr anderes Leben irrten". Über Jahre wurde es ein bitter-süßer
Kampf zwischen Hingabe und Verzicht, der ihre Wege letztlich auseinander
führte.
Der Brand in der berühmten Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar
symbolisiert mit der kaum bezähmbaren Macht seiner Flammen die Unabwendbarkeit
des Schicksals, das beiden Menschen Bestimmung wird, als sie erneut aufeinander
treffen. Das Cover als Umhüllung der darin eingebetteten Zeilen zeigt bereits
in ausgefallener Art die Gefühle, welche die Eckpfeiler dieser Geschichte
bilden, verdeutlicht Zuwendung und Abkehr, positives Bejahen und deprimierenden
Verzicht, dunkle Begrenzung und lichte Erfüllung. Es ist passend und
intelligent gewählt.
Die Autorin Emilia Licht hat mit diesem Roman ein wunderbares Leseerlebnis
geschaffen. Die zarten, beflügelten Töne erwachenden Gefühls, mit denen sie
die Begegnung der beiden Protagonisten schildert, lassen bei Weitem nicht die
Intensität, die Zerrissenheit und Problematik erahnen, mit denen der Leser im
Fortgang der Geschichte konfrontiert wird. Vor geschichtlich aufrührender
Kulisse nimmt das Leben zweier Liebender Gestalt an, die mit ihren Sehnsüchten,
Verletzlichkeiten, Stärken und Schwächen so nahe beim Leser sind, dass er zum
teilnehmenden Begleiter wird, der mit liebt, leidet oder zweifelt und ebenso
Eigenes aus sich selbst hier wiedererkennt.
Emilia Licht hat die seltene Gabe aus einem fast unauffällig bescheidenen
Anfang ein tiefgründiges, lebenskluges Buch voll Wärme und Menschlichkeit
machen zu können, das fortlaufend größer und reicher wird, uns ganz aufnimmt
und mit sich trägt. Ein wahrhafter Genuss, dem ich gerne alle Sterne als
Empfehlung mit auf den Weg geben möchte.
Fazit
Ein wunderbares, nicht alltägliches Buch über alle Gefühle des Alltags,
voller Menschlichkeit und Nähe. Lieblingslektüre für die Seele.
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 19. November 2013 2013-11-19 17:04:32