Biographisch angelegte Darstellungen zu Jesus von Nazareth gibt es massenhaft.
Gleich, wie man zum Christentum oder generell zum Konzept von Religion steht, so
hat das Leben, vor allem aber die Wirkungsgeschichte des Nachlebens eines
Zimmermanns am Rande des römischen Imperiums die Weltgeschichte ganz
entscheidend beeinflusst. Werner Dahlheim, ein Kenner der römischen Kaiserzeit
und zugleich ein guter Stilist, betrachtet in seinem neuesten Werk nicht nur die
Person Jesu, sondern vielmehr das geschichtliche Umfeld und dessen Wandlung in
der Folgezeit.
Als Althistoriker liest Dahlheim die Quellen kritisch, wie die Evangelien und
außerchristliche Quellen, und berücksichtigt die neueste Fachliteratur. Die
ersten zwei Kapitel dienen als ein Einführung. Dahlheim betrachtet das Imperium
zu Beginn der Zeit Jesu und die Lage in Palästina unter Herodes und seinen
Nachfolgern. Im dritten Kapitel bietet Dahlheim eine knappe, aber fundierte
Schilderung des Lebens von Jesus in Palästina bis zur Hinrichtung auf dem
Hügel Golgatha. Im Anschluss wird die Entwicklung des frühen Christentums
geschildert. Die christliche Gemeinde war zunächst nur eine verschwindend
geringe Minderheit, aber unter Paulus entwickelte sich die neue Religion
verstärkt zu einer Missionsreligion unter Nicht-Juden. Das Christentum machte
dabei mit seiner Erlösungsbotschaft den Paganen ein Angebot, das ihnen die
traditionellen Götterkulte so nicht bot; hinzu kam das karitative Wirken.
Dahlheim wendet dann in den nächsten Kapiteln wieder den Blick stärker auf das
Imperium an sich sowie seine Nachbarn. Breiten Raum nimmt das soziale und
kulturelle Leben im Imperium ein, die pagane und die christliche Lebenswelt
werden in diesem Zusammenhang plastisch geschildert.
Dahlheims Darstellung ist insofern keineswegs ausschließlich auf das frühe
Christentum beschränkt, sondern bietet ein Panorama des Imperiums auf seinem
Höhepunkt unter Einbeziehung des frühen Christentums. In den letzten Kapiteln
wird vor allem das Wechselverhältnis des Christentums zur paganen Kultur und
dem römischen Staat betrachtet, wobei das Christentum durchaus Elemente der
paganen Kultur aufnahm. Um 300 stellte das Christentum zwar immer noch eine
Minderheit dar, die aber trotz teilweiser Verfolgung durch den römischen Staat
relativ gut vernetzt und gefestigt war. Den Höhepunkt bildete die Förderung
des Christentums durch Konstantin zu Beginn und die Erhebung zur Staatsreligion
durch Kaiser Theodosius I. am Ende des 4. Jahrhunderts. Aus einer kleinen
Religionsgemeinde wurde die bestimmende Religion im Imperium.
Fazit
Vom Leben der frühen christlichen Gemeinden, paganen Wundergeschichten und
antiker Literatur, bis hin zum Verhältnis des Imperiums zu den
"Barbaren" im Norden und den Parthern und später Persern im Osten -
Dahlheims Darstellung der (antiken) "Welt" ist eindrucksvoll. Nicht
nur aufgrund der stilistischen Qualität, die man von modernen Historikern
leider kaum gewohnt ist, sondern vor allem hinsichtlich der komplexen Thematik,
die Dahlheim dem Leser überaus plastisch präsentiert. Die flüssig lesbare
Darstellung ist detailliert, ohne überfrachtet zu sein oder Sachverhalte zu
simplifizieren. Jeder Leser, der sich für das historische Panorama der Zeit vom
1. bis ins 4. Jahrhundert und/oder den Entwicklungsprozess des Christentums
interessiert, sollte zu diesem gedankenreichen Buch greifen.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 30. September 2013 2013-09-30 17:06:29