Im Bücherherbst 2013 kommt man um einen Roman nicht herum: "Die Wahrheit
über den Fall Harry Quebert" von Joel Dicker. Ein Roman, der monatelang an
der Spitze der französischen Bestsellerliste stand und jetzt auch in
Deutschland für Furore sorgt. Doch worum geht es in diesem Wälzer?
Dem 30-jährigen Marcus Goldman gelingt gleich mit seinem ersten Roman ein
Bestseller. Jedoch leidet er seitdem an der Schriftstellerkrankheit und bringt
kein Wort mehr zu Papier. Er zieht sich in die amerikanische Provinz zurück und
besucht in Aurora seinen ehemaligen Professor Harry Quebert, seinerseits einer
der erfolgreichsten Autoren der Gegenwart. Kurz nach Marcus' Ankunft passiert
es: Auf dem Anwesen von Harry wird die Leiche von Nola Kellergan gefunden. Das
Mädchen ist 1975 im Alter von fünfzehn Jahren verschwunden. Als herauskommt,
dass Harry eine Affäre mit dem Teenager hatte, wird er verhaftet und des Mordes
angeklagt. Marcus ist von der Unschuld seines Mentors überzeugt und beginnt zu
hinterfragen, was vor 33 Jahren wirklich passiert ist.
Nimmt man nur diese kurze Beschreibung, ist man versucht zu denken, das der
Roman nur ein normaler Krimi ist. Doch das Werk von Joel Dicker ist so viel
mehr. Es ist genauso Liebesgeschichte wie Gesellschaftsroman. Es ist ein Buch
über das Schreiben und ein Krimi, der mit einer großen Portion Twin Peaks
(eine hervorragende US-Serie aus den 90'er Jahren) angereichert wurde. Das ist
der Stoff, aus dem Bestseller gemacht werden.
Sicher scheiden sich auch an diesem Roman die Geister. Von der Kritik und vielen
Lesern hochgelobt, gibt es auch Stimmen, die den Roman als platt, abgedroschen
oder langweilig bezeichnen. Geschmäcke sind halt (Gott sei Dank) verschieden.
In meinen Augen ist Joel Dicker ein Werk gelungen, vor das ich nur den Hut
ziehen kann. Ich fand keine der gut 750 Seiten langweilig oder gar
überflüssig. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, das gerade die letzten 150
Seiten zum Besten gehören, was ich bisher gelesen habe (und das ist schon eine
ganze Menge gewesen). Joel Dicker schafft es meisterhaft, den Leser auf immer
wieder falsche Fährten zu locken. So gut wie jede Figur kommt im Verlauf der
Handlung als Täter infrage, nur um kurz darauf wieder aus dem Kreis der
Verdächtigen zu verschwinden. Bei allen Kehrtwendungen gibt es dann noch eine
Auflösung, die in meinen Augen einfach nur genial ist.
Doch nicht allein die Krimihandlung ist es, die diesen Roman auszeichnet. Joel
Dicker schafft es auch, ein plausibles, stimmungsvolles und interessantes Bild
der amerikanischen Provinz in den 70er Jahren zu zeichnen. Und dies mit allen
Moral- und Sittenvorstellungen, die dazu gehören. Dies alles würzt Joel Dicker
mit einem unterschwelligen Humor, der immer wieder aufblitzt. Als Beispiel
möchte ich die Telefonate von Marcus mit seiner Mutter nennen.
Natürlich sind die Figuren oft das Salz in einer Romansuppe. Neben Marcus und
Harry wimmelt es in Aurora von Charakteren, die diesen Roman so besonders
machen. Da ist natürlich Nola, die Harry den Kopf verdreht, da ist Jenny, die
ihrerseits ein Auge auf Harry geworfen hat und da ist vor allem Luther Caleb,
ein Junge, der von einer Jugendgang brutal zusammengeschlagen wird und der für
mich einer der vielen Höhepunkte des Romans ist.
Und letztendlich ist der Roman ein augenzwinkernder Blick in die schillernde
Welt der Literatur. Der Buch-in-Buch Aspekt war es, der mich als Autor gerade im
Vorfeld interessiert hat. Jedes Kapitel beginnt mit einem Auszug aus Gesprächen
zwischen Harry und Marcus, in denen Harry seinem Schützling die Arbeitsweisen
eines Autors näher bringt. Gerade in diesen Abschnitten gibt es so tolle Sätze
wie "Nach der Liebe bleibt nur das Salz der Tränen", die nicht nur
für den Moment gemacht sind.
Fazit
Ich verbeuge mich vor Joel Dicker und seinem Roman "Die Wahrheit über den
Fall Harry Quebert". Ein Roman, der es versteht über eine solche Länge zu
begeistern, zu fesseln, zu Tränen zu rühren und zum Lachen zu bringen kann nur
ein sein: grandios!
Vorgeschlagen von Michael Krause
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veröffentlicht am 28. September 2013 2013-09-28 13:17:11