Das vorliegende Buch hat mich ungeheuer fasziniert, so dass ich es als
Weihnachtstipp hier vorstellen möchte. In diesem Werk stellt die
österreichische Autorin fünf Frauen an verschiedenen europäischen
Königshöfen vor. Sie alle, teilweise miteinander verwandt, hatten ein
"Schicksal": sie liebten nicht denjenigen, mit dem sie - aus
dynastischen oder politischen Gründen - verlobt und verheiratet wurden, sondern
jemand anderen. Dieser Liebhaber oder die jeweilige Prinzessin selber mussten
dafür büßen...
In einem Vorwort schildert die Autorin die Motivation, die Schicksale der
verschiedenen Frauen aufzugreifen und fesselnd zu erzählen: Thea Leitner
belegt, dass die sogenannten Skandale in unserer Zeit ein laues Lüftlein seien
gegen die Schicksale in den vergangenen Jahrhunderten, in denen die Liebe noch
das Leben kostete oder die Gefangenschaft.
Am Beispiel von fünf Frauenschicksalen schildert Thea Leitner die Chronique
scandaleuse von anderthalb Jahrhunderten zwischen 1666 und 1821. Ausgewählt
wurden Fürstinnen, die entweder mit Maria Theresia aus dem Hause Habsburg oder
mit Maria Stuart verwandt waren. Geschildert wird das Schicksal von Sophie
Dorothea aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg, die sich in Philipp Christoph von
Königsmarck verliebte. Dieser wurde daraufhin ermordet, die Prinzessin in
Ahlden bei Celle für den Rest ihres Lebens eingekerkert. Thea Leitner versteht
es, dieses Schicksal so fesselnd nachzuzeichnen, dass es sich wie ein
Kriminalroman liest. Dies ist auch der Fall bei den weiteren einfühlsamen
Portraits, die gleichzeitig ein Spiegelbild ihrer Zeit darstellen: so die
Biographie von Elisabeth Charlotte, besser bekannt als Lisselotte von der Pfalz,
Nachkomme der Maria Stuart. Besonders beeindruckend liest sich auch das
wechselhafte Schicksal der Schwester Friedrichs des Großen, Wilhelmine, die
ihren Bruder vergötterte und - wie aus dem lesenswerten Portrait deutlich wird
- auch als einzige Person ihres kurzen Lebens wirklich liebte - was auf
Gegenseitigkeit beruhte. Der Misanthrop Friedrich liebte meines Wissens wirklich
nur einen Menschen tief und innig: seine ihm charakterlich so wesensverwandte
Schwester.
Besonders interessant ist das Kapitel "Staatsstreich nach dem
Maskenball". Dies weniger wegen der portraitierten Prinzessin Mathilde, der
Gattin des schwachsinnigen dänischen Monarchen Christian VII., sondern als
Portrait von Graf Struensee, dem "Gorbatschow" Dänemarks, der seine
für die damalige Zeit sehr humanen Ziele mit Hilfe dieser Frau, die er wohl
wirklich geliebt hat, durchsetzen wollte und damit scheiterte; er wurde grausam
hingerichtet. Wesentlich besser strukturiert als als Enquists kürzlich
erschienener Roman: "Der Besuch des Leibarztes" wird hier das
Wesentliche der verwickelten Liebesgeschichte der beiden Persönlichkeiten
herausgearbeitet und auf die Bedeutung des Reformers hingewiesen. Wer Enquists
Buch liest, sollte vorher unbedingt dieses Kapitel zur Einführung lesen; es
lohnt sich.
Gut gelungen auch das letzte Kapitel, in welchem das Schicksal Karolines
nachgezeichnet wird, die mit dem von ihr gehassten Georg IV. von England
verheiratet wird.
Nicht nur diese Personen, auch ihre Verwandten, etwa die charakterstarke Sophie
von Hannover, die beinahe Königin von England geworden wäre, werden
genauestens und sehr sehr feinfühlig portraitiert.
Es handelt sich um wunderbare Portraits; man kann sich als Leser richtig in die
Personen und die Zeit versetzt fühlen; mit meisterhaftem psychologischen
Falkenblick werden Personen und historische Zusammenhänge erklärt und somit
ein Interesse für eine Zeit geweckt, die zeigt, wie furchtbar es zeitweise sein
konnte, den "Falschen" zu lieben; nichts schützte vor Strafe und
Rache, auch kein noch so hoher Rang.
Fazit
Sehr sehr eindrucksvoll und unbedingt empfehlenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 23. Dezember 2003 2003-12-23 14:21:32