Wie heißt es so schön? Rom sehen und sterben. Für die Schatten gilt das
genauso, es sei denn, man weiß, wie man sich in ihnen bewegen sollte - denn die
meisten Shadowrunner treffen zwar eine Lachmöve mit ihrem Raketenwerfer aus
drei Meilen Entfernung in den Magen, aber sobald sie zurückkommen, haben sie
keine Ahnung, wie ihr Telekom funktioniert, welche Polizeitruppen patroullieren
und wer beim Telefonieren alles so mithört.
Und genau hier setzt das Überlebenshandbuch ein. Im Großen und Ganzen
erscheint es mir wie ein Remake des inzwischen nicht mehr erhältlichen
Real-Life-Guides, aber viele Informationen sind auch neu.
Das Buch startet mit einem leider sehr, nein, seeeeeeeehr langatmigen Essay
über das Alltagsleben in den 2060ern, in dem sich die Autoren über alles
mögliche von Einwegkleidung über Automatenrestaurants, von sexueller Akzeptanz
bis zu politischem Parteigekabbel, von Schulbildung bis zu Konzernunterhaltung
auslassen. Das ist zwar alles gut und schön, macht die Welt der 2060er auch
etwas interessanter, aber zum allergrößten Teil ist es schlicht und einfach
überflüssig. Wenn ich die "Ärzte" zitieren darf:
"Das sind Dinge, von denen ich gar nichts wissen will..."
Zweiter Teil: Reisen. Auch hier wieder mehr als nötig gewesen wäre, aber
diesmal in erträglicherem Rahmen. Das Ganze wird umrahmt von ein paar Kurzinfos
über die wichtigsten Städte der Welt, aber die sind zu langatmig, um sie kurz
abhandeln zu können und zu kurzatmig, um wirklich die Details liefern zu
können, die ich mir gewünscht hätte. Warum macht Fanpro da kein eigenes Buch
draus?
Damit sind dann auch schon 80 von 144 Seiten rum, aber wer bis jetzt schon
gelangweilt das Buch aus der Hand gelegt hat, ist selbst Schuld. Denn jetzt geht
es richtig spannend los: Ein detaillierter Bericht über das Leben eines
Newbie-Shadowrunners und jede Menge Spielleiterinfos beenden (leider) das Buch.
Reinigungsroboter, ein neues System für Lebensstile, neue Gaben und Handicaps,
Regeln zum Decken durch Telefonzellen oder zum Knacken von Credsticks haben mein
Herz höher schlagen lassen. Leider erst gegen Ende.
Fazit
"Wer schreibt mir einen guten Schluss?"
("Katz und Maus", Günter Grass)
Nein, im Ernst, es ist sehr schwer, für dieses Buch ein Fazit zu schreiben (und
es wird mir auch schwerfallen, Sterne zu verteilen), denn ich möchte nicht
unfair sein. Die ersten beiden Kapitel sind mit einer bewunderswerten
Genauigkeit ausgearbeitet worden, nur leider habe ich mich beim Lesen fast zu
Tode gelangweilt, und das im Wissen, diese Infos nie auf normale Art und Weise
in meine Spielrunde einbringen zu können.
Dagegen wiederum sind die Spielleiterinformationen und der Bericht übers Runnen
sehr schön zu Lesen und korrigieren die Bewertung noch ein Stück nach oben.
Von mir gibts fünf Punkte für die Lesbarkeit, einen Bonuspunkt für die
detailreiche Beschreibung des ersten Kapitels und nochmal je einen halben Punkt
für das Wohnungsregelsystem und die Drohnensammlung.
Vorgeschlagen von Kristian Kühn
[Profil]
veröffentlicht am 20. Dezember 2003 2003-12-20 16:03:03