Pesto im Glas - ein giftgrünes Lesevergnügen.
Es würde das letzte Mal sein, dass er sein elegantes Bild voller Wohlgefallen
in einem Spiegel in seiner repräsentativen Wohnung betrachten konnte. Aber das
ahnte Professor Dr. Gabor Nader noch nicht, als ihn ein leichtes
Übelkeitsgefühl befiel, nachdem er genussvoll den Duft des alten Nebbiolo
d'Alba einatmete, den er sich als Krönung des vergangenen, angenehmen Abends in
ein stilvolles, bauchiges Glas geschüttet hatte. Das von ihm selbst zubereitete
Mahl - Scaloppine al Limone mit cremigem Kräuterrisotto - war Dank der
marktfrischen Zutaten ein leichter, vorsommerlicher Hochgenuss gewesen.
Lediglich die Vorspeise, die traditionell vom jeweiligen Gast mitgebracht wurde
und diesmal aus einem recht blass gewürzten aber bitterstoffreichen
Kräuterpesto bestand, entsprach so gar nicht seinem Geschmack und dass er sie
komplett zu sich nahm, entsprach nur dem Wunsch, seinen Besucher nicht vor den
Kopf zu stoßen. Dabei hätte dieser gesellschaftliche faux pax wahrscheinlich
sein Leben gerettet.
So aber erfährt am nächsten Tag Frieda May, die ihrem Doktorvater Nader von
Würzburg nach München gefolgt ist, um unter seiner Leitung ihre erste Stelle
als Stationsärztin anzutreten, dass der Professor mit lebensgefährlichen
Vergiftungsanzeichen auf der Intensivstation liegt.Ein ziemlicher Schock für
Frieda, die sich am ersten Tag ihrer Kliniklaufbahn ohne den Professor ziemlich
hilflos und verlassen fühlt. Als die unselige Mixtur aus Wildkräutern des
englischen Gartens, bei denen wohl die Herbstzeitlose an Stelle des würzigen
Bärlauchs den Hauptbestandteil bildete, ihre Wirkung getan hatte und man trotz
gezielter Maßnahmen das Ableben Naders nicht verhindern konnte, werden
Ermittlungen angestellt. Auch der Toxikologe Quirin Quast, Friedas
WG-Mitbewohner, trägt zu Recherchen bei, die letztendlich einige Personen
namentlich machen, denen Naders Ableben recht genehm sein konnte und einige
Leichen aus den Kellern der Vergangenheit ans Licht emporsteigen lassen. Und was
verbindet Quirin selbst mit dem Toten - aus einer Zeit, in der sie miteinander
geforscht hatten?
Bettina Plecher hat einen wunderbaren bayrischen Medizin-Krimi geschrieben -
oder ist es eher ein medizinischer Bayernkrimi? Egal, was der Leser auch
erwartet, das flotte, flüssige Lesevergnügen enttäuscht in keiner Hinsicht,
zieht auch den kräuterkundigen Herbalisten durch die Wahl des
"Tatwerkzeugs" in seinen Bann. Die Protagonisten sind ausgefallen und
markant, allesamt authentisch in den ihnen zugedachten Rollen, die Handlung ist
nachvollziehbar mit gutem, sich steigerndem Spannungsbogen, der Humor und
Lokalkolorit nicht vermissen läßt. Insgesamt ist dieses Erstlingswerk so wie
eine gute Pesto eben sein sollte: frisch, genussvoll und appetitanregend - also
gerne mehr davon, denn manchmal muss es eben ein bisschen giftig sein!
Fazit
Ein bayrisches Schmankerl, absolut empfehlenswert - das Buch, nicht die Pesto!
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 23. Mai 2013 2013-05-23 16:54:45