Gelungenes Debüt mit Luft nach oben
Carina Kyreleis hat es nicht einfach momentan. Mehrere offene Baustellen wirbeln
ihren Alltag ganz schön durcheinander, in dem sie gerade aus Mexiko wieder in
ihre Heimat München zurückgekehrt ist. Eine Rückkehr, bei der ihr ihr Ruf als
"Gesichtsrekonstrukteurin" vorauseilt, da sie in Mexiko einen aufsehen
erregenden Fall mit diesen, ihren speziellen Fähigkeiten als Rechtsmedizinerin,
mit aufklären konnte.
Nun aber steht sie in München, um ihre neue Stelle anzutreten. Ihre chaotische
Schwester, die grundlegend immer nur mit dem beschäftigt ist, was ihr gerade
wichtig erscheint, hat den Schlüssel zur neuen Wohnung verschlampt. Ihr
allseits und immer kontrollierender Vater, Kriminalkommissar nebenbei, beginnt
schon wieder, sich in ihr Leben einzumischen (nicht zuletzt, wie sie erfahren
wird, was ihre neue Stelle in der Pathologien angeht). Ihr Ex-Freund meldet
sich umgehend, den Carina nicht sonderlich gerne wiedersehen möchte. Ihr Neffe,
der Sohn ihrer Schwester, läuft ein wenig aus dem Ruder und zu allem Berg an
Anforderungen tritt ein Mord hinzu. Und ein versuchter Mord. Oder ein versuchter
Selbstmord. So genau ist das alles zunächst nicht zu unterscheiden. Umgehend
aber befindet sich Carina inmitten der Ermittlungen, da ihr Vater sie zu allen
Ereignissen hinzuzieht. Ganz nebenbei geht sie natürlich auch noch ihrer
eigentlichen Arbeit nach. Bei dem geschehenen Mord ist das Gesicht der Leiche
abgezogen worden und der Schädel bis zur Unkenntlichkeit verwest und bedarf
ihrer besonderer Fähigkeiten, um der Identität des Opfers auf die Spur zu
kommen. Beim zweiten Vorfall überlebt zwar das weibliche Opfer, aber auch hier
wurde das gesamte Gesicht chirurgisch entfernt. Intensiv wendet sich Carina,
hier und da auch ungewollt, den kriminalistischen Ermittlungen in beiden Fällen
mit zu.
In einem zweiten Erzählstrang baut Stephanie Fey geschickt einen zweiten Fall
auf. Die Umstände um den Mord an Alfred Herrhausen werden dort anhand einer
Sekretärin im Staatsdienst näher beleuchtet, Einer Frau, die auf einen
"Romeo" hereinfiel, einen durch die ehemalige DDR speziell geschulten
Agenten, dessen Aufgabe es war, Frauen in geheimnisnahen Positionen zum umgaren
und als Informantin zu gewinnen.
Zunächst erscheinen beide Stränge des Buches völlig getrennt voneinander zu
verlaufen, außer das eine Frau sich vertrauensvoll an Carina Kyreis wendet, um
den vermeintlichen Tod ihrer Schwester noch einmal untersuchen zu lassen. Ihrer
Schwester, die just jene Sekretärin war, welche als Informantin für ihren
Romeo "Felix" angeworben worden war.
Viele lose Fäden gilt es also, im Buch miteinander zu verknüpfen, denn, wie
sich am Ende der Geschichte herausstellen wird, gibt es eine ganze Reihe von
Querverbindungen zwischen den Ereignissen. Verbindungen, die auch in die
Vergangenheit von Carinas Vater mit hineinreichen werden.
Lebensnahe Charaktere entwirft Stephanie Fey in einer durchaus interessanten und
erst langsam zu durchschauenden Geschichte. Sowohl die familiären Verbindungen,
Abgrenzungen und Annäherungen lassen dabei die Protagonisten nahe kommen, wie
auch die Gefahren, die im Lauf der Zeit sich entwickeln werden durchaus den
Leser fesseln. Die Beschreibung der Rekonstruktionsarbeit einerseits, das
Vorgehen und, vor allem, das Motiv des "Gesichtssammlers" andererseits
liegen überzeugend vor und sind sprachlich und inhaltlich gut umgesetzt und
eingebaut.
Einige Auflösungen im Buch, einige plötzlich entstehende Klarheiten aber
wirken doch unrealistisch weit hergeholt. So klein ist z.B. München nicht, dass
der "Gesichtssammler" schon fast zu Beginn des Buches zu den Fenstern
der neuen Wohnung Carinas hinaufschaut. Auch die ein oder andere
"zufällige" Begegnung, die zur Lösung des Falls führen wird, wirkt
hier und da arg konstruiert. Die sich anbahnenden Liebesgeschichte bleibt
(zumindest in diesem Buch) unausgearbeitet lose im Raume stehen.
Fazit
Im Gesamten aber ein gut zu lesender deutscher Thriller, der als Debüt nicht
nur der Autorin, sondern auch der Figur der Rechtsmedizinerin Carina Kyreleis
und ihrer Familie Lust auf Fortsetzungen macht.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 07. November 2011 2011-11-07 13:06:19