Wieder einmal einen Debütroman halte ich mit Ein unsittliches Angebot in
Händen. Er stammt von Cecilia Grant, die mittlerweile bereits drei Romane
(Genre Historical Romance) veröffentlicht hat, von denen jedoch derzeit nur
einer ins Deutsche übersetzt verlegt wurde. Die Autorin, die Englisch studiert
hat, lebt nach eigenen Angaben mit ihrem ebenfalls schreibenden Ehemann, zwei
Bücherwürmern und (literarisch eher unbeleckt) Katze und Hund im Nordwesten
Nordamerikas. Das kann somit von Washington bis Kalifornien alles und sowohl in
den Vereinigten Staaten als auch Kanada, an der pazifischen Küste oder auch
sehr weit im Landesinneren sein.
Doch zurück zu ihrem Roman, der den Auftakt der Cecilia-Grant-Reihe bei
Egmont-LYX darstellt. Die Fortsetzung (Das Versprechen der Kurtisane) ist
bereits für Oktober angekündigt. Die Handlung wird sich dann allerdings nicht
mehr um die in Ein unsittliches Angebot vorkommenden Hauptfiguren drehen. Ob sie
noch Erwähnung finden? Wer weiß. Sicher ist schon jetzt, dass sie genauso
ungewöhnlich sein dürften, wie Martha und Theo.
Denn mit Grant bietet der Egmont LYX Verlag eine weitere Autorin auf, die mit
nicht ganz so konventionellen Figuren und genretypischen Klischees aufwartet,
wie LeserInnen historischer Liebesromane es hierzulande gewöhnt sind. Aktuell
geht es um die erst 21jährige, frisch verwitwete Martha Russells. Der trotz des
Altersunterschiedes überraschende Tod ihres Ehemannes stellt sie vor ein
Problem. Ohne Erben steht sie mit nahezu nichts da, denn die beweglichen wie
unbeweglichen Besitztümer, einschließlich ihrer Mitgift, gehen größtenteils
an ihren Schwager. Der ist den Dienstboten im Haus nur allzu gut bekannt und
nicht nur bei Martha löst seine bevorstehende Ankunft Beklemmung aus. Statt
sich brav in das sich daraus für sie ergebende Los zu fügen, beschließt
Martha zu einem nicht ganz ehrlichen Mittel zu greifen. Da sie nicht in guter
Hoffnung ist, muss sie es schnellstmöglich werden. Und so ist sie bereit, dem
wegen seiner Eskapaden in London auf den Landsitz seiner Familie verbannten
Bonvivant Theophilus Mirkwood, Geld gegen seinen hoffentlich fruchtbaren Samen
zu bieten.
Schon damit dürfte klar sein, dass Martha nicht zu den naiv-hilflosen Weibchen
gehört, die dieses Genre für gewöhnlich zieren. Einerseits wirkt sie steif,
spießig und verklemmt. Andererseits zeigt sie sich kämpferisch, fast besessen.
So stolz, dass sie lieber Probleme in Kauf nimmt, als klein beizugeben. Sie hat
keine schwärmerisch-romantischen Wünsche, denn die Ehe mit ihrem verstorbenen
Mann hat ihr die gründlich ausgetrieben, sofern sie überhaupt je vorhanden
waren. Entsprechend sachlich, ja fast lieblos gestalten sich die Treffen mit
Theo, obwohl dieser durchaus bereit ist, mehr daraus zu machen. Mehr als einmal
verpasst ihm Martha einen emotionalen Dämpfer und stellt seine
Verführungskünste auf eine harte Probe. Die Beschreibung der heimlichen
Treffen wirkt manchmal etwas unbeholfen, aber nicht unwirklich. Gerade durch das
Weglassen romantischer Details, Zärtlichkeiten oder durch die nüchternen
Gedanken Marthas wird der Zeitdruck und das Dilemma deutlich, in dem sie steckt.
Unmerklich und in kleinen Details merkt man, dass Gefühle ins Spiel kommen, die
die Affäre jedoch nicht kitschig verkomplizieren.
Genau dadurch wirkt dieser Handlungsstrang nachvollziehbar echt. Romantik hätte
hier unpassend weich gezeichnet gewirkt. Und so sollte, jeder der Wert darauf
legt, eindeutig die Finger von Grants Debüt lassen. Andererseits: Obwohl ich
eigentlich etwas gänzlich anderes erwartet hatte, war ich von dem Roman
keineswegs enttäuscht. Vielmehr wurde ich angenehm überrascht.
Nebenbei gibt es jedoch auch noch einen zweiten Handlungsstrang, der Marthas
Alltag umfasst. Modern im Denken will sie manchmal fast zu verbissen die Welt
verbessern. Praktisch und nüchtern stellt sie sich ihrem Problem ebenso wie
ihrem Alltag. In dem sie bemüht darum ist, die Lebensbedingungen der kleinen
Leute zu verbessern; sie zu bilden und den Wunsch nach Veränderung in ihnen
erwachen zu lassen. Damit infiziert sie Zug um Zug auch Theo, der dann beginnt,
sein bisheriges Leben infrage stellen.
Fazit
Grants Schreibstil ist sprachlich der damaligen Zeit angemessen. Obwohl manches
(Marthas Reformwillen betreffend) fast zu modern wirkt, entstand durch die
bildhaften Beschreibungen ein Sittengemälde vor meinem inneren Auge, mit
authentisch wirkenden Handlungsorten und nachvollziehbar agierenden,
glaubwürdigen Figuren. Sehr schnell tauchte ich in die Geschichte ein. Ein
Manko sind kleinere Längen, doch die fallen nicht allzu sehr ins Gewicht und
Ein unsittliches Angebot lässt sich leicht lesen. Ein unterhaltsames und
gelungenes Debüt. Die untypische Darstellung der beiden Hauptfiguren weckt bei
mir die Lust auf weitere Romane der Autorin.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 14. Mai 2013 2013-05-14 15:22:23