Im Jahre 1754 erschossen drei russische Jäger auf einer Halbinsel im Eismeer
die alte Jasa, verschnürten ihre Enkelin Nandu und den kleinen Kelip zu einem
Bündel und verschleppten die Kinder an den Zarenhof nach Sankt Petersburg. Die
Russen glaubten damals, dass Angehörige sibirischer Nomadenvölker
Menschenfresser seien. Der kleine Russe Dima wurde zu den beiden angeblichen
Menschenfressern in einen Käfig gesteckt. Die Erwachsenen weideten sich an
seiner Angst, bevor sie ihn endlich wieder heraus ließen.
Als Leibeigene am Zarenhof wird Nandu nun Sinaida genannt. Ihr kleiner Bruder
stirbt nach kurzer Zeit. Als Sinaida die Hofdame Valentina Gräfin Swarowa
trifft, stehen sich zwei Frauen gegenüber, die Kummer und Hass fest in sich
verschließen und äußerlich ungerührt scheinen. Die junge Gräfin verbirgt,
dass sie Fjodor liebt, der zusammen mit seiner Schwester wegen Unbotmäßigkeit
gegenüber dem Zaren nach Sibirien verbannt wurde. Valentina dient der deutschen
Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst-Dornburg, die als Jekaterina Alexejewna mit
dem Großfürsten Peter verheiratet wurde, dem Neffen der Zarin Elisabeth I.
Nach dem Tod der Zarin setzte Jekaterina ihren Mann 1762 ab und regierte
Russland 34 Jahre lang.
Während Sinaidas Dienstzeit bringt Katharina den Thronfolger Paul zur Welt, der
ihr nach der Geburt sofort weggenommen wird. Der gesamte Hofstaat lebt in einem
- nicht nur äußerlich - eisigen goldenen Gefängnis. Zar oder Zarin können
über jeden nach Belieben verfügen, Menschen verbannen oder miteinander
verheiraten. Katharina hat vermutlich mehr als nur einen Liebhaber und ist in
allerlei höfische Intrigen verwickelt. Sie vertraut Sinaida - die nur schlecht
Russisch spricht und schreibt - als Botin wichtige Nachrichten an und schätzt
sie auch sonst als zuverlässige Dienerin.
Nur äußerlich angepasst, sammelt Sinaida akribisch Informationen über den
Entführer ihrer Kindheit und verliert niemals ihren Wunsch nach Rache aus den
Augen. Als sie nach Jahren fürchtet, bald Russisch zu denken und dann ihre
eigene Kultur zu vergessen, kreuzt sich ihr Weg mit dem des Kadetten Dima. Es
ist genau der Dima, der sich noch an die verängstigten Kinder in ihrem Käfig
erinnert. Dima dringt darauf, mehr über Sinaidas Herkunft zu erfahren. Inmitten
aller Verwicklungen, die Katharinas Staatsstreich verursacht, gibt Dima der
Handlung eine überraschende Wendung.
Nina Blazon lässt ihre Leser aus der Perspektive Sinaidas, Valentinas und Dimas
einen Blick hinter die Kulissen des russischen Zarenhofs werfen. Nach eigenen
Angaben hat die Autorin die Figur der Sinaida mit Merkmalen der Nenzen, der
Jakuten und der Inuit versehen.
Fazit
Nina Blazons fesselnder historischer Roman portraitiert die junge Katharina
während der Jahre 1754 bis 1762 und lehnt sich dabei an Ereignisse der
russischen Geschichte des 18. Jahrhunderts an. Blazons Buch spricht Jugendliche
wie Erwachsene an und überzeugt durch seine sorgfältige Ausstattung. Die Wege
der handelnden Personenen aus ihrer Heimat nach Sankt Petersburg könnten durch
die Einfügung einer Landkarte deutlicher werden.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 15. März 2007 2007-03-15 21:37:31