Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich mich mit Büchern schwer tue, in denen
Engel vorkommen? Egal ob es sich beispielsweise um die Fallen-Angels-Reihe von
J. R. Ward, Angelus von Danielle Trussoni oder auch Becca Fitzgeralds
Engel-der-Nacht-Reihe handelte - irgendwann (meist recht bald) fand ich etliche
Kritikpunkte, die mir den Lesespaß vermasselten. Dessen ungeachtet versuche ich
mich immer wieder daran und so landete Aeternum denn auch prompt auf meinem SuB.
Die 1985 in Karlsruhe geborene Andrea Bottlinger fühlt sich nach eigenen
Angaben im Fantasybereich am wohlsten. Sie war bzw. ist freie Mitarbeiterin der
Zeitschriften SpaceView, Geek und Nautilus und interviewte in der Vergangenheit
Autoren für Verlage wie cbt und Piper. Bottlinger, die neben Ägyptologie auch
Komparatistik und Buchwissenschaften studiert hat, lebt heute in Heilbronn. Sie
gibt Schreibkurse, arbeitet als Lektorin, verfasst Buchbesprechungen und
veröffentlichte mit Aeternum ihren Debütroman.
In dem öffnet sich ohne Vorwarnung mitten in Berlin ein riesiger Krater, der
bis tief in den Untergrund der Hauptstadt reicht. Niemand kann sich erklären,
wie er zustande kam und niemand kann abschätzen, was damit zusammenhängend
noch alles passieren kann. Denn natürlichen Ursprungs ist dieses Ereignis
nicht. Doch nicht nur die Menschheit versucht herauszufinden, was es damit auf
sich hat. Auch miteinander verfeindete Dämonen und Engel tun ihr Möglichstes.
Zu diesem Zweck wählen sie je einen Abgesandten, der der Sache sprichwörtlich
auf den Grund gehen soll. Schon bald begeben sich der gefallene Engel Jul und
die einem Dämon als Magierin dienende Amanda in die Tiefen, während weiter
oben alles eskaliert.
Wie gesagt, meist vergeht mir die Leselust bei Büchern mit Engeln recht
schnell. Ich lese zwar weiter, aber ich kam bisher nie in Versuchung die Bücher
wärmstens weiterzuempfehlen oder Ähnliches. Oft kommt es mir so vor, als ob
die Autoren nicht so recht wissen, in welche Richtung sie jetzt eigentlich
wollen. Bei Bottlingers Debütroman ging es mir nicht so. Ich habe auch hier
etwas gefunden, das mich stört. Aber: Aeternum nahm mich von Anfang an und bis
zum Schluss gefangen.
Wer streng gläubig ist, wird womöglich ein Problem mit der Idee haben, die
sich nach und nach (allerdings temporeich) herauskristallisiert, sie womöglich
geradezu blasphemisch finden. Denn abgesehen davon, dass Bottlinger, wie andere
Autoren auch, Engel nicht automatisch gut und Dämonen nicht per se schlecht
beschreibt, geht sie sogar soweit, dass ihre weibliche Hauptfigur sich an
jemanden heranwagen muss, der eigentlich außerhalb menschlicher Reichweite ist.
Denn Gott selbst (und damit geradezu symbiotisch auch der Teufel) haben mit den
ungewöhnlichen Vorfällen zu tun. Ihretwegen droht die Welt, wie wir sie
kennen, unterzugehen. Ihretwegen kommt es zu einem blutigen und tödlichen Kampf
zwischen den Dämonen und Engeln. Und für die wiederum sind die menschlichen
Opfer lediglich verschmerzbare Kollateralschäden.
Illustrativ detailliert wurde die Hintergrundatmosphäre von Bottlinger
geschaffen. Berlin - auch wenn es sich täglich zu verändern scheint - erschien
klar vor meinem inneren Auge. Und das, obwohl ein großer Teil der Geschichte
unterirdisch spielt.
Hinzu kommen gut herausgearbeitete und (für mich auch) überraschend echt
wirkende Charaktere mit einigen Stärken aber genauso vielen Schwächen und
Fehlern. Das tröstet darüber hinweg, dass Bottlinger sich bei der Beschreibung
einiger Figuren an bekannten Bildern orientiert. Die großen, hell gekleideten,
weißblonden Engel erfüllen ihre Aufgabe mit himmlischer Konsequenz und ihren
Flammenschwertern. Die Dämonen wiederum wirken in ihrer wirklichen Gestalt
abschreckend hässlich und Frucht einflößend, gierig und vordergründig
berechnend und falsch und wenden Magie an.
Doch halt: Ganz so einfach ist es nicht. Bottlinger erzählt nicht einfach nur
eine neue Variante von Gut gegen Böse, bei der es natürlich nur einen Gewinner
geben kann. An der Stelle - das Cover finde ich mehr als passend. Die sich
berührenden Umrisse der zwei geflügelten Gestalten wirken in ihrer
Ausarbeitung doch als Einheit. Genau wie Gott und der Teufel, Gut und Böse,
Licht und Dunkel, Engel und Dämonen, Gebot und Tabu, Glaube und Wissen, Macht
und Ohnmacht. Sie könnten augenscheinlich alleine für sich bestehen,
benötigen aber den anderen, um wirklich zu wirken. Eine Trennung? Unmöglich.
Und schon bald wurde mir klar, dass Amanda und Jul zwar vordergründig um die
Rettung der menschlichen Welt kämpfen, die zwischen den verfeindeten Fraktionen
einfach zerrieben zu werden droht. Tatsächlich aber geht es um Begreifen und
Einsicht, um Erkenntnis. Um Fühlen und Mitgefühl. Über den eigenen Schatten
zu springen. Freundschaft und Vertrauen zuzulassen. Toleranz und eigenständiges
Denken und darum, Konsequenzen aus diesen Überlegungen zu ziehen, weil
eigentlich alle in einem Boot sitzen, das in einer Katastrophe zu sinken
droht.
Das alles ist in eine Geschichte gepackt, in der sich die beiden Hauptfiguren
Amanda und Jul näherkommen, obwohl sie sich anfangs gar nicht ausstehen
können. Einfach, weil jeder seine eigene Motivation hat, sein eigenes Ziel
verfolgt. Während Amanda ihren Bruder retten möchte, will Jul seine Flügel
zurück, die ihm vor langer Zeit genommen wurden. Wer allerdings auf eine
richtige Liebesgeschichte hofft, kann sich diese Hoffnung gleich wieder
abschminken. Dazu werden die beiden viel zu häufig in blutige Kampfszenen
verwickelt, die ich in ihrer Fülle und Ausführlichkeit tatsächlich als Manko
dieses Romans betrachte. Allerdings ist dieses Manko nicht so groß, dass es mir
den Lesespaß an Aeternum verdorben hat. Und die Geschichte zwischen den beiden
fügt sich harmonisch in das gesamte Geschehen ein.
Der Lesespaß blieb mir mit Sicherheit auch erhalten, weil mir der Schreibstil
von Bottlinger gefallen hat. Sie wechselt fließend die Perspektiven, lässt
ihre LeserInnen aus Amandas Sicht am Geschehen teilhaben, dann wieder aus der
von Jul. Die Autorin webt die Schöpfungsgeschichte aus der Sicht eines Engels
ein und (für mich) recht schlüssig eine Überlegung für
gesellschaftlich-religösen Umbrüche in der jüngeren Vergangenheit. Bottlinger
lässt ihren fantastischen Roman auf Mythen monotheistischer Religionen fußen,
überfrachtet die Geschichte jedoch nicht damit.
Fazit
Mythen und Realität sind hier geschickt mit fantastischen Elementen verwoben
und zu einem ebenso spannenden wie faszinierenden Debütroman verarbeitet
worden. Das bietet gleichermaßen Unterhaltung wie Anreize zum Nachdenken und
Raum für Fantasie. Für die erwähnten Kampfszenen gibt es einen kleinen
Punktabzug, da sie mir persönlich zu viel waren und für kleinere Längen
sorgten. Dennoch bleibt zu hoffen, dass die Autorin bald - in welcher Form auch
immer - nachlegt.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 14. Mai 2013 2013-05-14 15:24:00