Dieses Buch war überfällig. Wetz, Professor für Philosophie und Ethik, macht
nunmehr nach der bereits früher bei der Edition JF von Alain de Benoists
erschienenen Kritik am nivellierenden Universalismus der Menschenrechte
deutlich, daß die Menschenwürde als Substrat der Menschenrechte mit stoischer
Wurzel definitorisch und anthropologisch fundiert sein müsse, um Realität
beanspruchen zu können.
Er will damit verdeutlichen, daß die Menschenwürde immer konkreter
Gestaltungsauftrag ist und beim kleinsten Individuum beginnt. Wetz verfällt
also keiner Ideologie oder keinem Universalismus von Außen- und Innenmoral,
d.h. gut und böse, Koalition der Willigen und Schurkenstaaten, sondern bleibt
Realist, wenn er sagt, daß angesichts des Rationalismus mit gleichzeitiger
metaphysischer Fundierung, die der Menschenwürde innewohnt, die Menschenwürde
selbst im Zwiespalt zwischen Realität und Idealität steht und deshalb sinnvoll
konkretisiert werden muß.
Schon allein deshalb - da ist Wetz beizupflichten - kann Menschenwürde keine
bloße normative Forderung und keine natürliche vorausmenschliche Mitgift sein,
die zu Interventionen jedweder Art berechtigt, sondern immer ein konkreter
Gestaltungsauftrag jeweiliger Menschen in ihrer jeweiligen Region.
Menschenwürde ist also keine Essenz der üblichen phraseologischen
Abstraktionen von Politikern, sondern Gestaltunsgauftrag mit dem Anspruch und
der Notwendigkeit anthropologischer und vor allem kultureller Konkretion.
Sehr fruchtbar erscheint dieser weltanschauungsneutrale Ansatz vor dem
Hintergrund weltweiter Verletzung der Menschenwürde durch diejenigen, die sie
zu schützen vorgeben und sie dennoch nur appellartig oder strategisch zur Schau
tragen.
Angesichts von Staatsverschuldung, Konformitätsdruck und Subventionsabbau auch
in Deutschland ist Menschenwürde tatsächlich zunehmend zwischenmenschlich zu
leben und nicht abstrakt zu postulieren. Die Würde erscheint hier nach
vollendeter Lektüre allein als subsidiär funktionierender und kommunal zu
lebender Auftrag. Nur so sei sie befähigt, menschenwürdige Verhältnisse zu
schaffen. Ihre konkrete Gestaltung geht angesichts menschlicher Fehlbarkeit auf
den Einzelnen über.
Schade ist, daß es Wetz versäumt zu verdeutlichen, daß gerade der
phänomenologische Ansatz in Bezug auf die Menschenwürde, d.h. die
Notwendigkeit, vom Individuum, seiner Umwelt, Sozialisation und nationalen
Verortung auszugehen, kaum auf die klassische deutsche Staatsphilosophie von
Fichte bis Hegel bezogen wird. Denn hier galt wie bei Johann Gottlieb Fichte der
Mirkokosmos - Subjekt, kultureller Nationalstaat und politische Gemeinschaft -
als konstruktiv vorauszusetzende Basis für den übergeordneten Makrokosmos -
die Menschheit, alle Völker und die transnationale Ebene. Eine solche
dialektische Verschränkung wäre im Bezug zur Menschenwürde und ihrer
volklichen Konkretion ein gangbarer Weg, wie ihn auch Immanuel Kant in dezidiert
patriotischer Manier in seiner Schrift zum "Ewigen Frieden" forderte.
Nach Wetz zumindest stehen wir - völlig richtig - vor der Alternative, einer
abstrakten universalistischen Illusion hinterherzulaufen oder aber eigene
Überzeugungen über Menschenwürde realistisch zu leben und dafür eventuell
sogar ein Fall für den Verfassungsschutz zu werden, kennt dieser doch nur das
universalistische Modell in seiner gänzlichen Abstraktion.
Fazit
Dieses Buch hinterfragt vermeintliche Selbstverständlichkeiten vor dem
Hintergrund ihrer philosophischen Tragbarkeit im realen Leben kritisch.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 19. Juni 2007 2007-06-19 09:21:26