Ambrose Bierce gehört zu den Meistern der amerikanischen Kurzgeschichte und ist
für mich neben
Edgar Allan
Poe der bedeutenste Autor phantastischer Erzählungen und in der Tat ein
"Meister des schwarzen Humors" überhaupt. Sein z.T. makabrer Humor
erinnert auch an
Algernon
Blackwood. Er wurde 1842 geboren und nahm am amerikanischen Bürgerkrieg an
der Seite der Nordstaaten teil. Er verschwand in den Wirren des mexikanischen
Bürgerkrieges. Sein Todesjahr ist unbekannt. Seine hier versammelten
Geschichten lassen sich in 3 Teile. Zunächst werden Erzählungen aus dem
amerikanischen Bürgerkrieg erzählt. Hier , etwa in der "Brücke über den
Eulenfluß", "Gefallen bei Resaca" werden Einzelschicksale aus
dem Krieg thematisiert, die tief die Abgründe der menschlichen Seele zeigen,
die Bierce zerrissen von Schuld und Sühne zeigt, wie etwa "Die Geschichte
eines Gewissens" zeigt, in dem der Protagonist, ein Hauptmann in der
amerikanischen Armee, einen Spion der gegnerischen Seite zur Hinrichtung führen
muss, obwohl dieser im früher das Leben gerettet hatte. Diese Tat verwindet er
nicht und nimmt sich das Leben. "Eine halbe Stunde später erschrak der
Koch..., dermaßen über den Krach einer Muskelsalve, dass er den Kessel fallen
ließ, den er gerade vom Feuer heben wollte. Aber bei all seiner Bestürzung und
trotz dem Zischen, das der Inhalt des Kessels zwischen den glühenden Kohlen
verursachte, hätte er doch...den Revolverschuß hören können, durch den
Hauptmann Hartroy auf das Leben verzichtete, das ihm durch sein Gewissen nicht
länger erträglich war. In Erfüllung des Wortlauts einer Notiz, die er dem
Offizier überließ, der die Nachfolge seines Kommandos übernahm, wurde er,
gleich dem Deserteur und Spion, ohne militärische Ehren begraben, und im
ernsten Schatten des Berges, der keinen Krieg mehr kennt, schlafen die beiden
friedlich in längst vergessenen Gräbern."
Diese Stelle zeigt beispielhaft die sprachliche Meisterschaft von Bierce, die
auch in seinen makabren Geschichten wie "Hundeöl" oder "Mein
Lieblingsmord" immer wieder aufscheint. Wie Bierce-Spezialist Edouard
Roditi in seinem hervorragenden Nachwort zu recht bemerkt, sind Paradoxon,
Antithese, Untertreibung, Verschweigung, Chiasmus (darunter versteht man
sogenannte "kreuzweise Redewendungen" wie: "groß war der
Einsatz, klein der Gewinn") sind Bierces bevorzugte Stilmittel. Er schreibt
fast lakonisch und erinnert daher sehr an Poe, Lovecraft (zu dessen
Lieblingsautoren Bierce gehörte, wie aus seiner Sammlung von Horrorgeschichten
hervorgeht) und in der Moderne an Hemingway, Dashiel Hammett oder - in seinen
Kriminalerzählungen auch sehr stark an die "Short Stories" von Jack
Ritchie oder Cyril Hare. Roditi zitiert als Beispiel eine der Erzählungen aus
der Geschichtensammlung: "Der Elternmörderclub." An einem frühen
Junimorgen 1872 ermordete ich meinen Vater, eine Tat, die seinerzeit einen
tiefen Eindruck auf mich machte." Kürzer, präziser, sardonischer kann man
dies nicht ausdrücken. Sein makabrer Humor wirkt erschreckend - soll aber zur
Aufklärung und Demaskierung der menschlichen Natur, des Bösen, beitragen.
Fazit
So ist Roditi durchaus Recht zu geben, wenn er in seinem Nachwort abschließend
schreibt: "Der wahre Moralist unter den Schriftstellern ist oft derjenige,
der uns bei der ersten Begegnung durch eine zynische Zurschaustellung von
Unmoralität am tiefsten schockiert". Dies tut Bierce - und zeigt auf, wozu
die "Bestie Mensch" fähig sein kann. Die Welt wirkt beunruhigender
nach der Lektüre dieser Geschichten, die mich niemals mehr losgelassen haben.
Ich fühlte mich im tiefsten Innern aufgewühlt. Dies erreichen nur wahre
Meister - Bierce gehört sicherlich dazu.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 09. Dezember 2003 2003-12-09 20:25:55