Der Roman ist nicht ganz so lustig-leicht, wie ich angesichts des Titels, der
Covergestaltung oder der Inhaltsangabe vermutete. Er handelt von einer Frau, die
ausbricht, um sich selbst zu finden. Die Wahrheiten ins Auge blickt, die sie
bisher tunlichst übersehen hat. Aderhold erzählt die Geschichte von Valerie,
deren festgefahren scheinendes Leben nach einer Typberatung eine ungeahnte
Wendung nimmt. Obwohl sie danach à la Julia Roberts ihr Umfeld verzaubert,
nimmt zuhause niemand angemessen Notiz von ihrem veränderten Äußeren. Aus
einer Laune heraus fährt Valerie am nächsten Morgen nicht wie gewohnt zur
Arbeit. Stattdessen überrascht sie sich selbst damit, in den Zug nach Toulouse
zu steigen. Der ist der Haupthandlungsort des Romangeschehens.
Ihre Mitreisenden bestehen aus zwei Paaren und einer älteren Frau. Der Autor
wechselt immer wieder die Perspektive und lässt seine LeserInnen mal aus der
Sicht der einen oder des anderen einen Blick auf das Geschehen werfen. Valerie
fühlt sich begehrenswert, zumal sie nach einem Artikel, der anlässlich ihrer
Typberatung in einer Frauenzeitschrift erscheint, von Wildfremden angesprochen
wird. Nicht nur die beiden Männer im Abteil flirten mit ihr. Deren Frauen sind
davon weniger begeistert. Die alte Frau wiederum ist auf dem Weg zu ihrem
Liebhaber, während ein Kontrolleur in seinem Beruf aufgeht und gleichzeitig ein
verhinderter Revoluzzer ist. Es gibt noch weitere Figuren, die mehr oder weniger
große Rollen spielen.
Während Aderhold von Liebe und Lebenskrisen schreibt, bedient er sich diverser
Klischees, die er teils zu sehr aufplustert. Dabei lässt er Männer und Frauen
(gedanklich und verbal) aufeinander losgehen. An und für sich normal wirkende
Lebensfassaden beginnen zu bröckeln. Zarte neue (Liebes-)Hoffnungen keimen,
Fragen und Zweifel machen deutlich, dass (nicht nur) Valerie am jahrelangen
Ausharren bisheriger Situationen und Beziehungen zu ersticken droht. Die
Reisenden lachen zusammen, weinen, betrügen und belügen sich und andere,
träumen und erwachen, sammeln spontan für einen Schwarzfahrer, feiern
miteinander. Die Charaktere sind leicht neurotisch, teils extravagant, bizarr.
Mehr oder weniger liebenswert wirken sie nicht konsequent real, aber auch nicht
vollkommen unecht. Was ich sehr schön finde, ist die Zugreise als Symbol für
Veränderungen, die im Leben aller in einem steten Fluss stattfinden. Für
Begegnungen mit Neuem und Abschied von Altem.
Trotz der an sich guten Grundidee konnte mich das Buch nicht richtig fesseln. In
typisch französischer Manier beschreibt der Autor viele Details und schafft es
dennoch, recht oberflächlich zu bleiben. Er springt bei seinem Geschehen
zwischen den Charakteren hin und her, und erschwerte es mir so, mich mit diesen
anzufreunden. Was mich persönlich jedoch am meisten störte, war, dass
Aderholds Figuren zwar genau beobachten und alles zu ergründen suchen, trotz
einiger Aktionen aber nicht so richtig handeln. Dass lebendige Dialoge fehlen
und die wenigen Gesprächsansätze durch indirekte Reden förmlich erschlagen
werden, tut ein Übriges. Obwohl Aderhold einen typischen französischen
Schreibstil pflegt, fehlt seiner Schreibe in diesem Roman die lebendige
Leichtigkeit, die ich mit anderen französischen Autoren in Verbindung bringe.
Der Roman plätschert unaufgeregt vor sich hin und zieht sich trotz der kurz
gehaltenen Kapitel stellenweise.
Fazit
Keine ganz alltägliche Geschichte. Dafür eine, die LeserInnen
Durchhaltevermögen abverlangt, weder vollkommen oberflächlich noch hochgeistig
ist. Kein Buch, das man nebenbei lesen sollte, da dadurch eventuell Passagen
entgehen, die daran erinnern, dass man selbst allzu häufig über bestimmte
Dinge hinwegsieht.
2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 07. April 2013 2013-04-07 14:05:28