Ein Blick auf die Verlagsseite offenbart: Der Lebenslauf des Autors setzt sich
abenteuerlich zusammen. In Dhaka baute er eine pharmazeutische Firma auf. In
Moskau errichtete er ein Satelliten-Kommunikationsnetz. In Großbritannien
designte er ein Hotel. Er reiste durch Afrika und den Mittleren Osten, durch
Bangladesch und Russland. Heute lebt er mit Frau und Kindern in England und
widmet sich ganz dem Schreiben. Aus seiner Feder stammt eine Romanreihe, die
eine Mischung verschiedener Stilrichtungen darstellt. Science-Fiction paart sich
mit Thriller. Historisches mit Okkultem. Fantasy mit Realem. Das alles
dystopisch angehaucht.
Obwohl mich die Inhaltsangabe sehr neugierig stimmte, begann der Auftaktroman
der vierteiligen Buchreihe von Rod Rees nicht sehr vielversprechend für mich.
Recht schnell legte ich das Buch zur Seite, was auch beim zweiten und dritten
Versuch der Fall war.
In Die Mission geht es um die junge Ella. Aus finanziellen Gründen geht sie
darauf ein, die entführte Tochter des Präsidenten zu retten. Ellas Einsatz
wird erschwert, weil Nora nach ihrer Entführung in eine gänzlich andere Welt
gebracht wurde. Diese andere Welt ist im Grunde genommen ein virtuelles
Experiment der Regierung. Von Wissenschaftlern geschaffen, um Soldaten
möglichst realistisch auf kriegerische Ernstfälle vorzubereiten. Darin
bekämpfen und hassen sich unterschiedliche Gruppen. Zeit und Raum sind
ausgehebelt. Diese Grundidee ist nicht ganz neu. Sie wurde bereits in Romanen
und Filmen verwendet.
Das Glossar am Ende des Buches deutet allein durch seinen Umfang an, dass Demi
Monde vielschichtig sein muss. Gleich von Anfang an wird man dann auch im Roman
selbst mit Informationen dazu überschwemmt. Das ist sicherlich notwendig, um
Zusammenhänge zu begreifen und im Grunde entsteht so eine dicht gewobene,
düster-bedrohliche Atmosphäre. Doch die Informationsfülle war mir persönlich
fast zu viel, weshalb ich immer wieder unterbrechen musste.
Erschwerend kam hinzu, dass Rees wenig Begriffe erklärt und das jeweilige
Suchen im Glossar sich zeitraubend umständlich entwickelte. Bestimmte
Wortspielereien (unter anderem HimPerialismus, UnFunDaMentalismus, UnterWesen)
störten mich zunehmend.
Und dann gab es noch unlogische Auffälligkeiten. Wenn ich davon ausgehe, dass
ein virtuelles Wesen in der virtuellen Welt des 19. Jahrhunderts lebt, muss ich
doch auch davon ausgehen, dass es nicht mit Begriffen aus der neueren Zeit um
sich wirft, weil es sie gar nicht kennen kann. Zudem ist zwar nachvollziehbar,
warum Noras virtuelle Existenz gerettet werden muss, doch entging mir völlig,
wie sie überhaupt dorthin gelangt ist. Vielleicht habe ich das überlesen,
vielleicht wird es erst in einem späteren Band erklärt, doch hier fehlte mir
etwas. Oder nehmen wir die Wissenschaftler. Die sind so schlau, Demi Monde zu
konzipieren, bauen sogar einen Schutzmechanismus ein. Doch dieser ausgerechnet
der lässt die Rassisten der virtuellen Welt rot sehen? Und während Ella, die
im realen Leben eigentlich nur eine Sängerin ist, tatsächlich einiges bewirken
kann, müssen die im Hinblick auf ihre Schöpfung wirklich genialen
Wissenschaftler tatenlos zusehen? Dieses Konstrukt wirkt etwas zu stark an den
Haaren herbeigezogen. Überhaupt: Da sind Wissenschaftler genial genug, um eine
virtuelle Welt zu schaffen, die dabei helfen soll, reale Menschen zu verbessern
(durch Training). Obwohl die Rüstungsmaschinerie bekanntermaßen quasi eine
Gelddruckmaschine ist, sollte man doch annehmen, dass besagtes Training eher
dazu genutzt wird, Frieden herbeizuführen, der nicht nur daraus besteht, dass
eine Partei kapituliert, weil sie der Waffengewalt der anderen zu wenig
entgegenzusetzen hat. Doch nein, es wird fleißig Krieg gespielt, geschossen und
verfolgt, was das Zeug hält. Das kann man natürlich mit schriftstellerischer
Freiheit erklären, doch wertet es die angebliche Genialität der
Wissenschaftler in meinen Augen irgendwie ab.
Rees beschreibt in mehreren Erzählsträngen aus verschiedenen Perspektiven und
mit diversen Erzählern eine düster-bedrohliche und vor allem erschreckende
Welt. Vieles erfährt man aus der Sicht der weiblichen Hauptfigur. Doch auch der
ständige Wechsel führte bei mir dazu, dass anfangs kein rechter Lesefluss
aufkam. Erst nach etwa 150 Seiten fiel es mir zunehmend leichter, an der
Geschichte dranzubleiben. Diese 150 Seiten sorgten jedoch fast dafür, dass der
Roman sich zu meinem Stapel abgebrochener Bücher gesellte. Anschließend
allerdings steigerte sich sowohl das Tempo als auch die Spannung etwas.
Wenn man davon einmal absieht, teilt sich Rees‘ virtuelle Welt in verschiedene
Bereiche, wovon einer stark an das Dritte Reich bzw. das Geschehen darin an die
Shoah erinnert. Wie in der realen Welt sind auch die Bewohner der virtuellen
Welt unterschiedlicher ethnischer, religiöser oder politischer Herkunft, womit
diverse Konflikte vorprogrammiert sind. Die Bewohner von Demi Monde existieren
in der Realwelt und quasi gespiegelt nach ihrer Einschleusung in der virtuellen
Welt, dadurch können sie in beiden Welten sterben. Gleichzeitig gibt es in der
realen Welt an sich bereits tote Diktatoren und Machthaber in Demi Monde, die
danach gieren, in die reale Welt zu gelangen. Die virtuelle Welt ist so hoch
entwickelt, dass sie sich zu verselbstständigen droht. Was als
vielversprechendes Experiment begann, wird zur tödlichen Gefahr.
Der Rolle angepasst präsentiert Ella sich als sehr clever, was nicht immer
authentisch wirkt. Statt dessen kam sie mir wie ein blutjunges MacGyverlein vor,
das für alles eine Lösung weiß. Sie wirkt zu perfekt und wie soll sich jemand
weiterentwickeln, der bereits so ist? Neben ihr gibt es noch andere Charaktere,
die mal mehr mal weniger sympathisch, jedoch meist authentischer als Ella wirken
und auch tatsächlich eine Entwicklung durchlaufen. Sie polarisieren mit ihren
Grundsätzen, doch wirklich überzeugt hat mich keine der Figuren.
Allerdings muss ich insgesamt feststellen, dass dem Autor die Beschreibung
seiner virtuellen Welt mit den machtpolitischen Bestrebungen der
unterschiedlichen Gruppierungen gelungen ist. Das wird verstärkt, weil er auf
historische Ereignisse und Personen Bezug nimmt und so vor Augen führt, zu
welchem Wahnsinn Menschen fähig sind. Gewalt spielt in dem Buch eine große
Rolle. Flucht ebenso. Demi Monde steckt voller Fanatiker und Rassisten aber auch
Sexisten, denen jedoch erfreulicherweise auch menschliche Werte
gegenüberstehen.
Fazit
Ein durchwachsen-holpriger Auftakt der Demi-Monde-Reihe, die trotz nicht ganz
unbekannter Grundidee und Schwächen eine nicht ganz alltägliche Geschichte
bietet. Wie in anderen Reihen auch werden Fragen aufgeworfen, ohne dass alle
beantwortet werden. Die Mission ist nicht in sich abgeschlossen, sodass bereits
jetzt absehbar ist, dass das Lesen der einzelnen Bände in der Reihenfolge der
Erscheinung notwendig ist. Obwohl mir nicht durchweg alles logisch erschien und
mich keiner der Charaktere überzeugt hat, bin ich neugierig auf den Fortgang
der Geschichte. Zumindest bis jetzt konnte mich die Entwicklung der Geschichte
noch nicht richtig überzeugen.
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 22. März 2013 2013-03-22 11:01:24