Die Brüder Konrad und Victor sind getrennt. Victor, der "angehende
Wissenschaftler" schaffte es, das Elixier des Lebens herzustellen und
seinem Bruder zu verabreichen. Er ist jedoch fassungslos, weil seine
Bemühungen, das Leben des Bruders zu retten, letztlich im Sande verliefen.
Alles seine Bemühungen, seine Streben nach Vervollkommnung und die Hilfe für
seinen Bruder fruchteten nicht, belasten sein Gewissen, versagt zu haben. Seit
nunmehr einem Monat ist sein geliebter Bruder tot. Endgültig aus seinem Leben
verschwunden. Die Alchemie, die ihm Hoffnung gab, enttäuschte ihn über alle
Maßen. Er macht all jene verantwortlich die die Bücher geschrieben haben, aus
denen er nutzloses Wissen zog, in der Hoffnung, dem geliebten Bruder zu helfen.
Und dann räumt er auf. Sein Vater wies ihn an, sämtliche Bücher und Phiolen
aus der schwarzen Bibliothek zu vernichten. Er wirft alle Bücher ins Feuer, ein
wahres, inneres Freudenfeuer, weil er es allen zeigt, es geht auch ohne sie.
Victor erlebt aber auch eine Überraschung. Eines der Bücher weigert sich
hartnäckig auch nur angekohlt zu werden, geschweige denn verbrannt. Als Victor
das rote Buch in die Hand nimmt, stellt sich dieses jedoch nicht als Buch
heraus, sondern als ein feuerfestes Behältnis. Und in diesem Behälter befindet
sich ein sonderbares Buch. Victor ist gleich Feuer und Flamme, denn dieses Buch
weist ihm den Weg in das Totenreich. Er folgt den Anweisungen des Buches für
ein sogenanntes Hexenbrett. Er probiert sofort aus, mit den Toten eine
Verbindung aufzunehmen und mit ihnen zu sprechen, vielleicht meldet sich Konrad.
Wenig später sind auch Elizabeth und Henry eingeweiht. Sie erhalten über das
Hexenbrett eine Mitteilung, wie man in das Reich der Toten gelangen kann. Sofort
entwickelt sich die Idee, dorthin zu gehen, um den geliebten Bruder
wiederzusehen und noch einen Schritt weitergehend, ihn zurückzuholen. Gemeinsam
mit seinem Freund Henry und seiner Freundin nimmt er die beschwerliche Reise in
Angriff.
Der Roman von Kenneth Oppel um Victor und Konrad ist etwas Besonderes. Ein
Jugendbuch wie kein Zweites, dabei doch nur der zweite Teil. Dies ist beileibe
nicht negativ gemeint, sonder weist lediglich auf den Umstand hin, dass ein
zweiter Band immer etwas schwieriger zu schreiben ist. Der erste Band ist
bereits letztes Jahr erschienen und als Leser ist man gern bereit die Inhalte
wieder zu vergessen, weil man etwas anderes gelesen hat. Kenneth Oppel schafft
es jedoch, wichtige Geschehnisse nochmals kurz rückblickend zu betrachten. Dies
verhilft natürlich dazu, sich rasch an das Vorangegangene zu erinnern. Die
Charaktere in diesem Buch sind einfach einzigartig!
Victor
war und ist immer noch der Draufgänger, der bereit ist viel zu wagen, und die
Vorsicht einmal mehr unbeachtet zu lassen. Er geht gern Wagnisse ein, nimmt
Herausforderungen an, möchte mit seinen Ideen die Welt verbessern und überlegt
sich dazu, wie er am Besten vorgeht. Aus seiner Sicht wird das Buch beschrieben
und so erlebt der Leser seine Gefühlswelt hautnah mit. Der Leser begleitet
einen gefühlvollen, unter dem Tod seines Bruders leidenden Jungen. Jeder von
ihm gedachte Gedanke ist so, als sei er vom Leser selbst gedacht. Victor als
Ich-Erzähler hinterlässt in der Geschichte einen eindringlichen und intensiven
Einblick in seine Gefühle und Gedanken.
Henry
ist in diesem Band sehr überraschend. Erlebte man den Jungen vorher als
zurückhaltend, vorsichtig und manchmal tatsächlich mitleiderregend, so kann
man ihn weitaus gereifter kennenlernen. Er hat wohl die grösste Wandlung im
Fortgang der Erzählung erlebt. Es treten Charakterzüge hervor, die der Leser
nicht erwartete und die der Autor bis an die logischen Grenzen ausreizt.
Elizabeth
Das Reich der Toten lockt auch Elizabeth, kann sie doch so Konrad wiedersehen.
Der Ortswechsel lässt auch bei ihr neue Seiten ihrer Persönlichkeiten
hervortreten, verändern sie und machen sie selbstbewusster. Elizabeth ist immer
noch das Mädchen mit den zwei Gefühlswelten. Sie fühlt mit ihren starken
Gefühlen für Konrad ihm immer noch verpflichtet, dem sie nun in der Totenwelt
begegnen aber nicht näher kommen kann. Das andere gleichstarke Gefühl treibt
Elizabeth aber auch zu Victor. Eine Entscheidung fällt jedoch weder für den
einen noch den anderen Bruder.
Fazit
EIN DUNKLER WILLE von Kenneth Oppel, ist eine grossartige Fortsetzung, Die
Handlung schlägt eine andere Richtung ein. Sie wird vom Autor nicht mehr ganz
so stark an die Romanvorlage von Mary Shelley angelehnt, lässt Platz für
eigene mystische und magische Richtungen. Kenneth Oppel führt seine Geschichte
wesentlich eigenständiger weiter, obwohl ich nie den Eindruck hatte, eine
Nacherzählung in den Händen zu halten. Der übersinnliche Verlauf der Handlung
wird in die Atmosphäre eingebettet. Daher bleibt es spannend und mitreißend.
Auch wenn nur noch wenig mit dem bekannten Original gemein hat. Auch die
Hauptfiguren, allen voran Victor, überzeugen mit ihren neuen Eigenschaften und
Gefühlen.
Die Handlung gewinnt schnell an Tempo, ist aber den Begebenheiten angepasst.
Wenn jemand nachdenklicher, ruhiger oder trauriger wird, ändert sich das Tempo.
Es bleibt beim Lesen genug Zeit nachzudenken. Andererseits überschlagen sich
Victors Gedanken, wenn er wieder mal eine neue Idee entwickelt. EIN DUNKLER
WILLE unterscheidet sich von DÜSTERES VERLANGEN, weil sich die Handlung von der
Wissenschaft hin zur eindeutig magischen der Toten. Dadurch wird die
Grundstimmung des Buches verändert, aber nicht zum Nachteil. EIN DUNKLER WILLE
erhält einen ganz besonderen Reiz dadurch.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 04. März 2013 2013-03-04 16:05:02