Sich vom katholischen Weltbild, der Scheibenansicht mit dem Käseglockenhimmel
lösend, hat die Wissenschaft seit Keppler und Bruno festgestellt, es gibt
Milliarden von Sonnen mit Planeten im Universum, auf denen Leben möglich ist.
So viel freier raum, kann nicht einfach unbelebt sein. Es muss Rassen geben, die
fortschrittlicher sind als die Menschen, noch nicht so weit entwickelt wie die
Menschen und vor allem, anders als sich die Menschen entwickeln. Welcher Art das
Leben ist, hat man noch nicht festgestellt, doch kann es nicht sein, dass auf
nur einem Planeten Leben, wie wir es kennen, besteht. Sogar intelligentes Leben,
wobei ich der menschlichen Rasse generell die Intelligenz abspreche, denn sonst
würden weniger Kriege bis gar keine, geführt. Aber wo ist dieses Leben? Diese
Frage stellt sich den Wissenschaftlern immer wieder und es fällt ihnen
äusserst schwer, diese Frage zu beantworten. So vermutet man auf verschiedenen
Monden dieses Sonnensystems anderes Leben, konnte es jedoch nicht oder besser
gesagt, noch nicht, nachweisen. Das gilt im gleichen Maß auch für Leben
ausserhalb des Sonnensystems. Der Wilhelm Heyne Verlag veröffentlichte am
08.10.2012 den neuen Roman von David Brin, nachdem von ihm in den letzten Jahren
nichts auf Deutsch zu lesen war.
Im Orbit der Erde werden merkwürdige Kristalle entdeckt, die in ihrer
Zusammensetzung unbekannt sind und auf nicht-irdisches Leben hinweisen. Jetzt
gilt es, die eingangs gestellte Frage, wo ist dieses Leben, erneut zu stellen.
David Brin, einer der besten amerikanischen Autoren, versucht, aktuelle
Entwicklungen in die nähere Zukunft zu transportieren. Mit seinem monumentalen,
existentiell philosophischen Epos um einmal etwas "dick aufzutragen",
nutzt er ein klassisches Thema der utopischen Zukunftsgeschichten, den
Erstkontakt mit Fremden. Der Autor geht davon aus, dass der Mensch für einen
Kontakt mit einer anderen Rasse, die gleichfalls so intelligent ist wie der
Mensch oder gar Intelligenter, noch nicht reif genug ist. Solange der Mensch
sein soziales Gefüge und ein friedliches Miteinander auf dem Planeten nicht in
den Griff bekommt, wird jeder Kontakt zwangsläufig mit Krieg oder gar
Ausrottung enden. Auf der Erde gibt es dafür genügend Beispiele. So bleibt ein
düsterer Ausblick auf eine menschliche Zukunft. Ob diese je im All sein wird,
bleibt zu Fragen übrig. Es könnte eine Hoffnung sein, den übervölkerten
Planeten Erde hinter sich zu lassen, wenn der Mensch jedoch nicht klar erkennt,
was er überhaupt treibt, wird auch der nächste Planet im gleichen Chaos enden.
Die Handlung selbst setzt mit dem klischeehaften Einzelgänger Gerald Livington
ein, der sich einsam im erdnahen Orbit bemüht, den teuren Weltraumschrott von
Raketen und Satelliten einzusammeln und davon seinen Unterhalt zu bestreiten.
Damit ähnelt er einerseits dem "lonesome cowboy" der sich keinen
Regeln unterwirft, aber dennoch nach ihnen leben muss, erweckt gleichzeitig
Erinnerungen an die 1980er Jahre und den Cyberpunk bis hin zur aktuellen
irdischen Geschichte, wo Elektroschrott nach China verschifft wird und sich die
Ärmsten der Armen darum bemühen, daraus noch etwas Gewinnbringendes zu
entnehmen und durch den Verkauf davon zu leben. Gerald Livington ist es, der die
seltsamen Kristalle findet und sie als nichtmenschliche Technologie
identifiziert. Zeichen, die nicht von Menschen stammen, sind das entscheidende
Merkmal. Er gibt seine Entdeckung bekannt und schon ist die Welt aus dem
Häuschen. Alles ist aufgeregt und versucht an dieser Entdeckung teilzuhaben.
Dazu muss erwähnt werden, dass in der Welt des David Brin ein Über-Internet
besteht. Jenes Interent, in dem die bürgerlichen und gut betuchten Individuen
surfen, bestehen die unterschiedlichsten Ebenen, so dass für jeden etwas dabei
ist. Man müsste sich also gar nicht mehr aus dem Netzwerk abmelden, sondern
wäre wie in einem Riesenfacebook, ständig mit Freunden, Bekannten etc.
verbunden. Hier kommen wieder die Kristalle ins Spiel, denn man erkennt, dass es
hier ebenfalls sehr viele Informationsebenen gibt. Eine Gruppe von Menschen
versucht nun, in die Ebenen der Kristalle vorzudringen und Kontakt
aufzunehmen.
Auf weiteren Handlungsebenen versucht David Brin die unterschiedlichsten
Menschen sozialer Herkunft mit dem Hintergrund seiner zukünftigen Welt zu
verschmelzen und gleichzeitig dem Leser so die unterschiedlichen Facetten der
Welt nahe zu bringen. Dieser Versuch ist zweischneidig. So brennt der Autor ein
Feuerwerk von Ideen ab, lässt aber seine handelnden Figuren klischeehaft und
relativ eindimensional erscheinen. Zudem wirkt die ganze dargestellte
Gesellschaft in ihren verschiedenen Ausprägungen etwas "aufgesetzt".
Besser dargestellt ist die künstliche Welt, die Fremdartigkeit der
Kommunikation untereinander, die Entfremdung der Menschen in
zwischenmenschlichen Beziehungen, etc. Existenz ist nicht leicht zu lesen. Es
behandelt die Existenz von ETWAS in verschiedenen Formen. So ist es die
Menschheit als solche eine Existenz, wie auch jedes einzelne Individuum. Das
gleiche gilt hier für die nichtmenschlichen Kristalle, sie existieren, wie auch
das Internet und / oder künstliche Intelligenzen.
Fazit
Existenz wird daher weniger als Unterhaltungsliteratur angesehen, sondern reiht
sich in die Schlange der sozialkritischen Science Fiction ein, ohne aber
wirklich Lösungen anbieten zu können. Seine Anspielungen und Zitat zu
beziehungsweise aus anderen Büchern sind für die "Vielleser" und
eingefleischten Fans durchaus ein "Leckerli", um den Roman
aufzuwerten. Andere Leser werden diese Hinweise gar nicht erst bemerken.
Letztlich ist der Roman ein Werk, dass sich mit der Science Fiction und der
Sozialwirklichkeit auseinandersetzt und versucht, diese in einen Einklang zu
bringen. Nebenbei scheint es aber, dass theoretische Gedankengänge zu
bestimmten Themen als praktische Handlung umgesetzt werden soll. Dies klappt
jedoch nicht sonderlich.
Wenn der Roman an verschiedenen Stellen klarer ge- und beschrieben wäre,
hätte er meine vollste Zustimmung.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 26. Februar 2013 2013-02-26 10:53:20