Nach dem zuletzt besprochenen (und, wie ich nun gelesen habe, schlecht
übersetzten) Sands-Roman Liebe auf den zweiten Blick, hat mir der zweite Band
der The-rarest-blooms-Reihe von Madeleine Hunter mit dem Titel Die
widerspenstige Braut die Freude am Lesen unterhaltsam-leichter Regency-Romane
wiedergegeben. Romanen also, in denen man noch mit Kutschen zu rauschenden
Bällen fuhr, in der zweifelhafte Verehrer sich Duelle lieferten oder für
charmante Verwirrungen sorgten. Romanen, in denen es oftmals um viel Schein und
wenig Sein geht, um finanzielle Probleme und Abhängigkeiten, die jedoch zumeist
glücklich enden. Ab und zu schalte ich mit solchen Romanen einfach gerne ab,
obwohl die Vorstellung horrend ist, wegen jeder Kleinigkeit um die Erlaubnis
eines Mannes bitten zu müssen und so abhängig zu sein, wie Frauen damals
waren.
Doch zurück zum Buch. Es handelt sich zwar um den zweiten Teil einer Buchreihe,
jedoch muss man den ersten Teil vorab nicht zwingend lesen. Die Geschichten der
jeweiligen Hauptfiguren sind in sich geschlossen. Allerdings trifft man sie in
den anderen Romanen wieder. Die männlichen Hauptcharaktere sind durch
Freundschaft ebenso miteinander verbunden, wie die weiblichen Hauptfiguren.
Letztere haben sich samt und sonders in Daphnes Anwesen in Cumberworth, nahe
London, kennengelernt. Deren Devise ein sicheres Obdach zu bieten, ohne bohrende
Fragen zu stellen, kommt allen entgegen. Denn jede der Frauen birgt ein
Geheimnis.
Hunters Schreibstil lässt sich leicht lesen, die Sprache ist an die damalige
Zeit angepasst. Genau dadurch wirken Szenen, in denen es wie in Liebe auf den
zweiten Blick von Sands durchaus um mehr als nur erotische Andeutungen geht,
nicht so platt. Wirklich gebraucht hätte ich diese Szenen zwar nicht, doch
haben sie mich auch nicht direkt abgestoßen. Der Autorin gelingt es insgesamt
erneut eine stimmige Hintergrundatmosphäre zu schaffen, die es ihren LeserInnen
leicht macht, in das Geschehen einzutauchen.
Auch hier geht es um viel Schein und wenig Sein. Obwohl die adlige Welt gerne
auf reiche Bürger und alles darunter herabsah, nahm sie deren Geld im Fall der
Fälle doch mindestens ebenso gerne dankend an. Das Bürgertum wiederum erhoffte
sich einige Verbesserungen, indem es quasi dafür bezahlte, dass der verarmte
Adel entsprechende Verbindungen mit ihnen einging.
Hunters weibliche Protagonistin Verity lebte zwei Jahre lang bei Daphne und den
anderen Frauen, bevor ihre Vergangenheit sie einholt. In der willigte sie in
eine arrangierte Ehe ein, um jemanden zu schützen. Dass ihr Opfer vergebens
war, erfuhr sie viel zu spät und so entschloss sie sich noch an ihrem
Hochzeitstag zur Flucht, in deren Verlauf sie ihren eigenen Tod vorzutäuschen
versuchte.
Während Verity sich all die Monate in sicherer Obhut für die Eventualität
einer Entdeckung rüsten konnte, geriet der Earl of Hawkeswell gleich zweifach
in Bredouille. Zum einen kam er nicht an das durch die Eheschließung erhoffte
Geld, was seine finanzielle Lage desaströs verschlechterte. Zum anderen sah und
sieht er sich mit unangenehmen Mutmaßungen hinsichtlich Veritys vermeintlichem
Tod konfrontiert.
Als er unverhofft seiner tot geglaubten Frau gegenübersteht, schöpft er neue
Hoffnung. Doch Verity bittet ihn um die Annullierung der nie vollzogenen Ehe und
versucht ihm die Angelegenheit finanziell zu versüßen. Von Rechts wegen
könnte Grayson seine Frau zwingen, mit ihm zu kommen. Er könnte auch auf seine
ehelichen Rechte pochen. Doch das tut er nicht. Stattdessen bittet er sich eine
Bedenkzeit aus, die sie anfangs gemeinsam bei Audrianna und Sebastian
verbringen. Bald schon ist ihm klar, dass er seine Ehefrau nicht gehen lassen
möchte und er beginnt sie dazu zu verführen, ihren Annullierungswunsch zu
vergessen.
Das ist jedoch gar nicht so leicht, denn Verity hält Adlige für Schmarotzer,
die nur das eigene Vergnügen suchen. Zu unvereinbar erscheinen ihr die
Unterschiede zwischen ihrer und Graysons Welt. Der wiederum vermutet, dass ein
anderer Mann hinter der Flucht ebenso wie in dem Annullierungswunsch stecken
könnte. Und ganz unrecht hat er damit nicht, gibt es da doch den Schatten des
Mannes aus Veritys Vergangenheit.
So wie sich im ersten Roman der Reihe ein Hintergrund-Handlungsfaden mit dem der
sich anbahnenden Beziehung von Audrianna und Sebastian verwob, arbeitete Hunter
auch in Die widerspenstige Braut einen solchen ein. Während er sich in Ein
skandalöses Rendezvous um geldgierige Aristokraten und Kriegsgewinnler drehte,
handelt er im vorliegenden Buch von industriellen Veränderungen ebenso wie von
Adligen, die ihre gesellschaftliche Stellung als gottgegebenes Recht betrachten
und dieses nach ihren Bedürfnissen zurechtbiegen.
Keine sehr guten Ausgangsvoraussetzungen also für das Ehepaar, das sich
eigentlich gar nicht kennt. Für den Roman allerdings schon, obwohl er mit dem
beginnt, wo andere meist enden. Die gegensätzliche Herkunft der Hauptfiguren
macht schnell klar, dass Gefühle keine Rolle bei den Hochzeitsplanungen
spielten. Beidseitige Vorurteile wiederum sorgen dafür, dass nach der
Wiederbegegnung Vertrauen ebenfalls nicht dazugehört. Das klingt eigentlich
schrecklich unromantisch. Doch der Umstand, dass Grayson nicht stur auf Veritys
Pflichten pocht, lässt den Charakteren Zeit, Gefühle füreinander zu
entwickeln. Da gibt es keine verträumten und oberflächlichen
jungmädchenhaften Schwärmereien, sondern eine harmonische, durchaus
glaubwürdige Gesamtentwicklung einer Beziehung. Und obwohl Verity und Grayson
anfangs distanziert wirken, Verity abweisend und Grayson teils unbeherrscht und
berechnend, gibt es auch eine romantische Entwicklung, die zu dem führt, was
LeserInnen beim Aufschlagen des Buches erhoffen: dem Happy End.
Was mir an der Reihe gut gefällt ist der Umstand, dass die Frauen trotz der
gesellschaftlichen Beschränkungen mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen
stehen. Ebenso, dass die Charaktere nicht einfach glatt geschliffen charmant
sind, dass die Zeit nicht vollkommen verklärt dargestellt wird. Das Ganze ist
nicht allzu ernsthaft, aber auch nicht zu oberflächlich beschrieben.
Fazit
Fazit:
Hunter hat sich im zweiten Band der Reihe für mein Dafürhalten etwas
gesteigert. Mit Die widerspenstige Braut hält man eine Geschichte in Händen,
die sich zurückhaltend-unaufdringlich und schnörkellos-dezent, aber für
LeserInnen nachvollziehbar entwickelt und entspannenden Lesespaß bietet. Ich
freue mich schon auf den nächsten Band der The-rarest-blooms-Reihe.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 27. Februar 2013 2013-02-27 18:16:08