Welches ist das Kinderbuch, welches mich in diesem Jahr am meisten beeindruckt
hat? Es ist ohne Zweifel ein sehr "politisches" Kinderbuch: Antonio
Skármetas "Der Aufsatz". Skármeta ist chilenischer Schriftsteller
und hat, außer dem "Aufsatz", eine Romanbiographie über Chiles
bedeutendsten Schriftsteller Pablo Neruda verfasst, "Mit brennender
Geduld".
In diesem von Jacky Gleich wundervoll illustriertem Kinderbuch geht es um das
Leben in der Diktatur. Der neunjährige Pedro lebt mit seinen Eltern in Chile.
Eigentlich interessiert er sich für das, was Jungens in seinem Alter sehr
interessiert: Fussball mit seinen Freunden. Jedoch wird er Zeuge, wie angespannt
seine Eltern jeden Abend "verbotene" Radiosendungen hören. Der Vater
eines Freundes wird abgeholt und verschwindet spurlos. Eines Tages wird kommt
ein Militäroffizhier in die Schule. Er fordert die Kinder, auch Pedro, auf,
einen Aufsatz zu schreiben; er soll schildern, was seine Eltern abends tun....
Für den besten Aufsatz soll es eine Belohnung geben: einen Lederfussball. Pedro
spürt die Bedrohung, die Gefahr: so schreibt er: "Meine Eltern spielen
abends Schach....". Zwar erhält er keinen Lederfußball dafür, aber
instinktiv hat er richtig gehandelt und seine Eltern gerettet.
Die surreal gehaltenen, äußerst detailliert gehaltenen Pastellzeichnungen -
insbesondere des Offiziers - zeigen die Bedrohung, die von der Diktatur und dem
Offizier ausgeht.
Mir ging viel beim Lesen dieses Buches durch den Kopf: ich erinnerte mich an
Siegfried Lenz' Erzählung: "Ein Freund der Regierung", in der ein
ähnliches Thema - die Bedrohung in einer südamerikanischen Diktatur -
abgehandelt wurde. Es erinnerte mich außerdem an Schilderungen von Freunden,
die erzählten, in der früheren DDR seien die Kinder im Kindergarten gefragt
worden, wie das Sandmännchen aussähe (das West-Sandmännchen hat ja keinen
"Spitzbart"), um herauszufinden, ob die Eltern das verbotene
Westfernsehen sehen würden.
Fazit
Ein unheimlich beeindruckendes Buch, welches zu recht den UNESCO-Preis für
Kinderliteratur im Dienste der Toleranz im Jahre 2003 erhalten hat. Gisela
Stottele hat im "Eselsohr" zu recht bilanziert: "Die
Geschlossenheit von Text und Bildern lassen diese Geschichte zu einem besonderen
und unverzichtbaren Buch werden, über das man mit Kindern in Schule und
Elternhaus sprechen sollte." Unbedingte Empfehlung für ältere Kinder,
meines Erachtens ab 9.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 11. Dezember 2003 2003-12-11 21:32:27