Weil ihr Buch als erster Titel des Frieling-Verlages die 7. Auflage erreicht
hat, kaufte ich mir Katharina Erna Baumgartls "Geschichte einer bayerischen
Bauerntochter.". Schon am Namen der Autorin ist unschwer zu erkennen, dass
es sich hier um ihre Erinnerungen handelt. Die meiste Beachtung erhalten dabei
die 50er Jahre: da bringt die Protagonistin, verlassen von ihrem zukünftigen
Ehemann, ein uneheliches Kind zur Welt - in einem bayerischen Dorf damaliger
Zeit ein ungeheurer Skandal. Mutter und Tochter finden aber bald einen
Lebenspartner und Ersatz-Vater. Der Lebensweg der Ich-Erzählerin wird flott und
nachvollziehbar geschildert, dabei treffen Annektode ("Ich kann mich noch
gut erinnern, wie zwei Frauen unseres Dorfes sich gestritten haben. Die eine
schrie: ‚Was bildest du dir ein, mein Mann ist Feldwebel!’ Die andere hielt
ihr entgegen: ‚Und meiner ist Unteroffizier.’ Jede wollte was Besseres sein
als die andere. Es hat nicht lange gedauert, da ist der Feldwebel ‚für
Großdeutschland gefallen’, der Unteroffizier hat den Krieg
überlebt.".), kindlich Märchenhaftes ("In der Maikäferzeit haben
wir als Kinder die Bäume geschüttelt, wenn die Käfer schliefen. Dann fielen
sie herunter."), Spracheigentümlichkeit (Salzzelten, Scheß,
Grottenlecke), Geheimrezept ("Während des Krieges wurde viel Schnaps
schwarz gebrannt. Ein junger Mann, der bei uns zu Gast war, bestellte sich
mehrere Stamperl von dem Selbstgebrannten. Er hatte offensichtlich die Wirkung
unterschätzt. Plötzlich fiel er um und hatte Schaum vor dem Mund. Wir meinten,
es ginge mit ihm zu Ende. Vater und einige andere Männer gruben schnell im
Misthaufen ein Loch und steckten den jungen Mann dort hinein. Bis zum Kopf war
er im Mist verpackt. Es hieß, das sei gut, sonst würde durch den Schnaps
innerlich verbrennen. Nach ein paar Stunden wurde er wieder ausgebuddelt, er
hatte sich relativ gut erholt."), und bayerische Sagen- und Bräuchewelt
aufeinander.
Fazit
Baumgartl hat mit ihrer "Geschichte" ein solides Werk verfasst;
"um innerlich frei zu werden" enthüllte Baumgartl ihre Vergangenheit,
das heißt: kein blutarmes, sondern ein authentisches Buch; für die Lektüre
sollte man sich von dem etwas ausladenden Titel nicht abhalten lassen.
Vorgeschlagen von Paul Niemeyer
[Profil]
veröffentlicht am 26. November 2003 2003-11-26 20:56:40