Die Suche nach einer goldenen Welt
Der Gedanke, sich aufzumachen, um das Paradies zu suchen, kommt der
siebzehnjährigen Lenka Hrózová 1986, nachdem ihr die Schauspielschule, bei
der sie sich beworben hat, eine Absage erteilte. Ihr fehlt es nicht an Talent
und Enthusiasmus, aber der Text des amerikanischen Schriftstellers Tennesse
Williams, den sie zum Vorsprechen verwendet, findet aus politischen Gründen
keine Gnade vor den Augen der Jury. Lenka, die mit ihrer Familie in Prerov,
einer böhmischen Kleinstadt lebt, beschließt, ein Visum, das für sie und ihre
Mutter bewilligt wird, um Verwandte in Westdeutschland zu besuchen, als
"one-way-Ticket" ins Paradies zu nutzen und nicht zurückzukehren.
Lange schon belastet sie die Unfreiheit und Enge ihrer dörflichen
Rückständigkeit, sowie die ständige Furcht vor Denunziation und staatlicher
Willkür. Ein voraussehbares Leben, wie es in seiner illusionslosen
Gesetzmäßigkeit auf sie zukommt, bietet keinen Anreiz zu bleiben, und selbst
der Verlust von liebgewordenen Menschen kann sie nicht zurückhalten.
Mit angstvoll gespaltenen Gefühlen läßt sie ihre beste Freundin Drobina, ihre
Cousine Trubka und ihre Jugendliebe Pavel zurück und startet eines Tages mit
ihrer Mutter Nadja im frisch geputzten Fiat Richtung Paradies - einer Insel der
Seligkeit entgegen, deren wages Bild durch westliche Medien, deren Werbung für
heiß ersehnte Konsumgüter und den unbändigen Drang nach Freiheit und
Wohlstand entstanden war. Eine wahrhafte Odyssee beginnt, ein schwieriger Weg
über Grenzen und Barrikaden, über Hindernisse in Sprachen und Formalitäten
und vor allem ein Wandel zu einem anderen Ich, mit bisher nicht erkannten Werten
und Wünschen und einer neuen Form der Verwirklichung. Rena Dumont läßt uns
einen wunderbaren Roman lesen. Mit dem Herzen geschrieben, wie ein Stück ihrer
selbst, erreicht er nach wenigen Zeilen schon das Herz der Leser.
Problemlos können wir auch die Eindrücke umsetzen, die von den Protagonisten
ausgehen, eindringlich überzeugend ist die tändelnde Verhaltensweise der
jungen Lenka und ihrer Altersgenossinnen, die ein Spiegelbild der Auswirkungen
des Regimes abgibt, in dem den Menschen so Vieles vorenthalten wurde, selbst die
Gründe, Eigenverantwortung zu übernehmen. Wozu also irgendwelche Flugversuche
machen, wenn deine Flügel sowieso beschnitten waren? Besser man akzeptiert, was
unabdingbar kommen und danach sein wird, so bleibt dann kein Raum für
Enttäuschung. Eine Haltung, die verständlich und logisch erscheint Und ebenso
greifbar und nachvollziehbar ist der Wandel, der eines Tages vollzogen werden
muss, damit man im selbstgewählten Paradies die Dinge findet, um derentwillen
es seinen Namen vielleicht verdient.
Fazit
Ein wunderbares Buch voller Gefühl, Humor und Menschlichkeit, ein Stück
warmherzige Lebensgeschichte, für das meine unbedingte Leseempfehlung gilt und
dem ich gerne zehn "paradiesische" Sterne erteile.
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 14. Februar 2013 2013-02-14 14:45:38