Schätzungen besagen, dass mittlerweile etwa sechs bis acht Millionen Menschen
hierzulande Yoga praktizieren. Mehr oder weniger gut und mehr oder weniger
ausdauernd steigern sie auf diesem Weg ihr mentales und körperliches
Wohlbefinden. Seit einiger Zeit gehöre ich auch dazu, habe ich doch (Hatha)Yoga
(und yogische Konzepte nicht nur in Form interessanter Lektüre) für mich
entdeckt. Nach Anfängerkursen übe ich mittlerweile zuhause. DVDs helfen mir
dabei. Bücher ebenfalls.
Vor einigen Wochen bin ich auf das im Mai 2012 erschienene Buch Medical Yoga aus
dem Programm des Trias Verlags gestoßen. Der Verlag hat mir schon mehrere sehr
gut umsetzbare Bücher beschert und auch die Entscheidung für Medical Yoga -
Anatomisch richtig üben hat sich, trotz kleinerer Schwächen, für mich
gelohnt.
Verfasst wurde das Buch von drei Autoren, die sich seit Jahren bzw. Jahrzehnten
beruflich mit der Thematik beschäftigen. Dabei verbinden sie ihr praktiziertes
Wissen über die westlich-moderne Spiraldynamik® mit überlieferten
fernöstlichen Yoga-Kenntnissen.
Für diejenigen, die gerade erst Neuland betreten, möchte ich kurz anmerken,
dass es sich bei der von Dr. med. Christian Larsen entwickelten Spiraldynamik®
um ein dreidimensionales Bewegungskonzept handelt, das sowohl vorbeugend als
auch rehabilitierend angewandt wird. Ein Konzept, das anscheinend noch nicht
komplett wissenschaftlich belegt ist, dass aber (wie ich von verschiedenen
Bekannten weiß) wirkt. Yoga wiederum ist eine sowohl philosophische wie auch
religiöse Lehre aus Indien, die eine ganze Reihe an geistigen wie körperlichen
Inhalten umfasst. Nicht nur Meditation, Askese und Ansanas gehören dazu.
Letztere sind Übungen, die sich auf unsere aufrechte Haltung ebenso wie auf
unsere Beweglichkeit und die innere Balance auswirken. Es gibt zahlreiche
Yoga-Arten, was es für Anfänger oftmals erschwert, die richtige Art für sich
zu finden.
Die Autoren beschränken sich auf Hatha-Yoga, das sich besonders für Neulinge
eignet, die Yoga von Grund auf richtig lernen wollen. Sie kombinieren es mit
Spiraldynamik®. Heraus kommt Medical Yoga, also keine vollkommen neue
Yoga-Variante. Wer einen Blick auf die Seiten der Autorinnen Wolf und
Hager-Forstenlechner werfen will, findet sie unter christiane-wolff.de bzw.
spiraldynamik-yoga.at. Wer mehr über Spiraldynamik® nachlesen will, kann dies
unter spiraldynamik.com tun.
Man merkt schnell, dass die Autoren wissen, wovon sie sprechen. Doch an der
Umsetzung hapert es etwas. Das Buch variiert zwischen sehr guten Beschreibungen
und oberflächlichen Passagen. Scheint sich an gut informierte Praktizierende,
vielleicht sogar Lehrende, dann wieder an völlige Neueinsteiger richten zu
wollen. Das ist zwar grundsätzlich nicht schlecht, aber was Praktikern zu wenig
in die Tiefe gehen dürfte, ist für Einsteiger stellenweise zu viel.
Fatalerweise mussten sich die Autoren prompt den Vorwurf gefallen lassen, ins
Esoterische abzudriften. Tun sie das wirklich? Ich meine mich zu erinnern, dass
dies beispielsweise mit einem Zitat aus Seite 16 des Buches geschah. Neben der
Harmonisierung von Tamas und Rajas, gilt es das Sattva gezielt zu kultivieren.
Wer yogische Vorstellungen nicht kennt, wird natürlich wenig bis gar nichts mit
diesen Begriffen anfangen können. Allerdings: Kenntnisse yogischer Konzeption
sind für die Umsetzung des Buches zwar durchaus praktisch, jedoch nicht
unabdingbar. Immerhin erfährt man nur eine Seite zuvor, was mit Tamas, Rajas
und Sattva gemeint ist. Weitere negative Reaktionen riefen stellenweise blumige,
als abgehoben bezeichnete Formulierungen hervor. Auch dem kann ich nicht
wirklich folgen, empfinde ich sie doch zum Thema passend und keinesfalls
abgehoben. Schließlich ist das Buch zwar in unserer Sprache abgefasst, Yoga
kommt jedoch aus Indien und die indische Sprache kann sehr blumig sein. Nebenbei
erwähnt halten sie sich in Grenzen.
Unabhängig davon bietet das Buch interessierten Yoga-Fans eine informative
Vertiefung eigener Kenntnisse und Kurse, allein schon durch die gelungene
Illustration. Wie viel Neues dann tatsächlich dabei ist, hängt natürlich
davon ab, wie intensiv man sich vorab mit dem Thema beschäftigt hat. Für
absolute Neulinge bietet Medical Yoga im Vorfeld, während oder nach eines
Yoga-Kurses auch eine empfehlenswerte Informationsquelle bezüglich der
Ausführung diverser Übungen und deren Wirkweise, die aber noch Ausbaupotenzial
birgt.
Eingangs gehen die Autoren zunächst allgemein auf die Thematik ein. Das
Hauptaugenmerk ziehen jedoch die auf 114 Seiten präsentierten 20 wichtigsten
der eben erwähnten Ansanas und ihre 80 Übungsvariationen auf sich. Neben den
hierzulande gebräuchlichen Namen findet man dort auch die
Sanskritbezeichnungen. Die Variationen dienen nicht nur der Abwechslung,
sondern auch der Modifikation. Zwar kann Yoga grundsätzlich von jungen und
alten Menschen, Gesunden oder Kranken praktiziert werden. Doch nicht jeder kann
und sollte alle Übungen machen.
Die beiden Autorinnen fungieren im Buch auch als Modelle. Während Fotos im
einleitenden Buchteil der optischen Auflockerung dienen, unterstreichen sie im
Übungsteil die an sich bereits gut nachvollziehbaren Übungsanleitungen. Dabei
beschränken sich die Autoren nicht nur auf Außenaufnahmen des Körpers,
sondern stellen diesen bei den 20 Grundübungen jeweils zusätzlich grafisch von
innen dar. Auch hierzu gab es negative Stimmen, die anmerkten, dass zu wenig auf
die Körperbau-Lehre eingegangen wird. Wer einen detaillierten Anatomiekurs
erwartet, sollte also die Finger vom Buch lassen. Oder sich vor Augen führen,
dass dies den Rahmen der 164 Seiten einfach sprengen würde. Ich persönlich
finde die Darstellung genauso ansprechend wie verständlich-interessant
gelungen.
Die Einzelübungen sind in Funktionskapitel eingeteilt. Hinzu kommen, ebenfalls
funktional unterteilt, noch Übungsabfolgen für Becken, Hüften, Rücken,
Brustkorb, Knie, Schultern und zur Entspannung. Diese Sequenzen beinhalten
zwischen fünf und sechs der Einzelübungen.
Wie gesagt können nicht alle Übungen von allen problemlos gemacht werden.
Welche Übung zumindest grundsätzlich für bzw. gegen ein bestimmtes
Beschwerdebild gemacht werden kann, ergibt sich aus einer dreiseitigen Tabelle
ab Seite 156. Sie nennt Ansanas und geht auf Indikationen aber auch
Kontraindikationen ein. Gleich im Anschluss findet sich eine weitere Tabelle,
die das ganze umdreht und verkürzt Beschwerden und passende Ansanas anführt.
Fazit
Fazit:
Ein Mischung aus Fachbuch und Praxisbuch für interessierte Laien. Trotz
interessant gestalteter, guter Aufmachung ist Medical Yoga nicht zu 100 Prozent
gelungen. Wie angedeutet, dürfte es Profis nicht genug in die Tiefe gehen, für
Laien jedoch gewisse Stolpersteine beinhalten. Ob man grundsätzlich, wie der
Untertitel verspricht, damit anatomisch richtig üben kann, mag dahin gestellt
sein. Das hängt mit Sicherheit von der gesunden Selbsteinschätzung ebenso wie
von biologischer Individualität und dem persönlichen Übungsstand ab. Doch der
Weg zum anatomisch richtigen Üben wird mit diesem Buch sicherlich nicht nur
absoluten Neulingen etwas geebnet. Insgesamt lassen sich die Ansanas samt
Variationen gut nachvollziehen, sodass ich (als interessierter Laie) das Buch
als Bereicherung für mich empfinde.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 14. Februar 2013 2013-02-14 14:46:15