Der vorliegende Band legt erstmals die bearbeitete Fassung der
Karl-May-Erzählung "Der Scout" aus "Winnetou II" in einer
Einzelausgabe vor. Geschildert wird die Verfolgungsjagd eines Verbrechers durch
die Vereinigten Staaten und Mexiko, wobei der Ich-Erzähler - in der hier
vorliegenden, später in "Winnetou II" aufgenommenen Fassung Old
Shatterhand und der ihn begleitende Westmann Old Death Abenteuer mit der - heute
in den Vereinigten Staaten noch aktiven - Verbrecherbande des Ku-Klux-Klan
bestehen müssen und in - äußerst realistisch gezeichnete - Indianerkämpfe
zwischen Komanschen und Apatschen verwickelt werden. Zwar erleidet der
Verbrecher seine Strafe (ein von ihm entführter, zeitweise unter
Geistesverwirrung leidender Bankierssohn kann befreit werden), allerdings findet
Old Death dabei den Tod.
Prof. Dr. Claus Roxin ist zwar darin recht zu geben, dass die Urfassung (sie war
1888 und damit 5 Jahre vor der Konzeption von "Winnetou I" entstanden
und wurde als Reprint der Karl-May-Gesellschaft 1997 in 2. Auflage vorgelegt -
literarisch besser und von der Handlung her stimmiger ist als die Bearbeitung.
Diese geschah insbeondere deshalb, weil der Ich-Erzähler, im Original ein
echtes Greenhorn, in der bearbeiteten - und nur daher in die Buchausgabe von
"
Winnetou II"
aufnehmbaren - Fassung Old Shatterhand sein mußte, der Winnetou - aufgrund der
Geschehnisse in "
Winnetou
I" - schon längst kannte. In der hier vorliegenden unveränderten
Wiedergabe der bearbeiteten Fassung spielt er Old Death daher die Rolle des
Greenhorns nur vor.
Durch die jetzt vorliegende Ausgabe liegen jedoch erstmals der Urtext und die
Bearbeitung als eigene Erzählungen vor und können somit direkt miteinander
verglichen werden. Beide Fassungen gehören zu den besseren Indianererzählungen
Karl Mays.
Old Shatterhand ist noch sehr "greenhornhaft",weniger
"präzeptoral" und damit menschlicher. Er ist daher für den Leser in
stärkerem Maße eine Identifikationsfigur als in den später folgenden
Erzählungen, in denen er allzu oft als fehlerfreier omnipotenter Held auftritt.
Zugute kommt diesem Umstand insbesondere die Charakterzeichnung Old Death. Der
"Alte Tod", seine inneren Seelenkämpfe (die eindrucksvoll mit den
Bergen und Tälern der Bolson de Mapimi, einer Landschaft im Norden Mexikos
verglichen und beschrieben werden), machen das Buch zu einem einmaligen
Erlebnis.
Auch das Motiv von Schuld und Sühne - in der Person Old Deaths manifestiert -
wird packend herausgearbeitet. Old Deaths Seelenkämpfe spiegeln sich in der
zerklüfteten Berglandschaft wieder. Insbesondere diese menschliche Komponente
hat mich immer gepackt und niemals mehr losgelassen. Old Death ist eine
eigenständige Persönlichkeit mit allen Stärken und Schwächen - Winnetou und
Shatterhand ebenbürtig. Dies gibt es später nur noch in den Figuren Old
Firehands und - eingeschränkterweise - Old Surehands.
Auch die Indianerkämpfe, die realistisch gezeichnet werden und - was für May
selten ist - ohne Versöhnung beendet werden, sind plastisch dargestellt und in
der Tat ein "erzählerisches Glanzstück", wie Heinz Stolte, der erste
Karl-May-Biograph in seiner Studie: "Der Volksschriftsteller Karl-May"
bereits 1936 korrekt bilanzierte.