Es handelt sich bei DIE LANDKARTE DER ZEIT um einen Roman mit einigen
unterschiedlichen Handlungssträngen, die zunächst scheinbar wenig bis nichts
miteinander zu tun haben. Da ist ein Fabrikantensohn, der seine Geliebte vor den
Untaten von Jack the Ripper schützen will. Und schon wird klar, dass wir uns im
viktorianischen Zeitalter bewegen. Einem Zeitalter, dass der Steampunk seit
einiger Zeit für sich vereinnahmt und der Liebesroman gerade wieder neu
entdeckt. In dieser Zeit besteht eine Agentur, die überraschend Zeitreisen
anbietet. Eine junge Frau, die mit ihren modernen Ansichten einer Suffragette
ihrer Zeit im viktorianischen London weit voraus ist und sich in einen General
aus der Zukunft verliebt. Und wie sollte es anders sein, es fehlt nur noch der
obligatorische Polizist, in diesem Fall ein Polizei-Inspektor namens Garret, der
eine Mordserie aufklären möchte und überzeugt ist, dass der Mörder eine
Waffe aus der Zukunft benutzt. Das hört sich alles erst einmal recht einfach
an, ist in Wirklichkeit jedoch etwas verwirrender.
Der eben erwähnte junge Mann heisst Andrew und hegt Selbstmordabsichten. Er
konnte seine Geliebte nicht schützen und diese ist nun gestorben. Wie das bei
Verliebten so ist, der Eine will nicht ohne die andere sein. Im letzten Moment
kann aber Andrew Harringtons Vetter Charles die Tat verhindern. Er setzt ihm
zudem noch den Floh ins Ohr, mit einer Zeitreise in die Vergangenheit die Tat
ungeschehen zu machen. Andrew lässt sich auf die Idee ein, denn was könnte es
schöneres geben, als wieder mit der Frau die er liebt zusammen zu sein. Acht
Jahre Trauerzeit sind plötzlich vergessen, wenn er mit Zeitreisen Murray in die
Vergangenheit reisen kann und seine geliebte Marie Kelly zu schützen. Als
letztes Opfer von Jack the Ripper kann die Hure durch den reichen Andrew am
Ableben gehindert werden.
Claire Haggerty aus der Vergangenheit, will durch die Zeit reisen. Claire ist
der Ansicht, sie ist in ihrer Zeit, London 1896 falsch am Platz. Die Frau
verliebt sich dabei in den Hauptmann Shackleton. Wieder in ihrer Zeit zurück,
beginnt sie einen regen Briefverkehr. Andrew ist darüber wenig amüsiert.
In einem Londoner Hospiz lebt der Elefantenmensch. Mit seinem Aussehen erregte
Joseph Merrick, wie er wirklich heisst, aufsehen und durchaus Ekel.
Unterstützung findet er nur bei einer Wohltäterin, von der er weiss, dass sie
eine erfolgreiche Schauspielerin ist. Für sie bastelt er Kathedralen aus Karton
zusammen.
Eine ganz besondere Rolle spielt dabei H. G. Wells, der Autor und Erfinder der
Zeitmaschine. Er taucht immer mal wieder auf und sorgt dafür, dass die
Handlungsstränge untereinander verknüpft werden können und sei es nur durch
den Einsatz der Zeitmaschine.
Die Geschichten werden von einem unbekannten Erzähler nachdenklich, ideenreich
vorgetragen. Diese Person scheint mehr zu wissen, vor allem wie die Geschichte
ausgeht und bietet auf dem Weg zu einem dann doch nur "irgendwie gearteten
Schluss" einige humorige, zum Schmunzeln anregende Gedankenstränge. Dies
macht den Leser weiterhin neugierig und er bleibt, trotz mancher langweiliger
Sequenzen, immer dabei. Diese Erzählungen, die immer wieder miteinander
verknüpft werden, bietet der Erzähler in einem recht amüsanten Ton an.
Fazit
Félix J. Palma schrieb einen ungewöhnlich skurillen Roman, der sich aus vielen
kleine absonderliche Geschichten wie ein Puzzle zu einer grossen zeitreisenden
Gedankenspielerei zusammenfügt. Dies gelingt ihm so geschickt, dass am Ende ein
gelungenes Bild einer ungewöhnlichen Welt dabei herauskommt. Das Buch war
schön zu lesen, eine gelungene Mischung aus phantastischem Abenteuerroman und
spannender Kriminalgeschichte sowie als kleines Schmankerl etwas
Liebesgeschichte. DIE LANDKARTE DER ZEIT überzeugt in erster Linie durch gute
Vergleiche, schöne Metaphern und eine Art zu schreiben, die wirklich spitze
ist, was sicherlich auch auf die gute Arbeit des Übersetzers Willi Zurbrüggen
zurückzuführen ist. Félix J. Palma schafft es jedoch, die einzelnen
Handlungsfäden so geschickt miteinander zu verknüpfen, dass sie erst am Ende
ein Gesamtbild ergeben und scheinbar klare Sachverhalte so zu verändern, dass
erst zum Ende des Romans noch unklarer wird, was erfunden und was wahr ist.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 13. Februar 2013 2013-02-13 12:04:35