Karl May hat mit seiner "Sklavenkaravane" ein hervorragendes Bild des
Sklavenhandels im Gebiet des heutigen Sudan geschaffen, in welchem sich bis
heute nichts geändert hat. In der bereits 1888/89 entstandenen Jugenderzählung
gibt es keinen omnipotenten Einzelheld. Kara Ben Nemsi, Protagonist der
Orient-Erzählungen Mays, kommt hier nicht vor. Er wird "ersetzt"
durch zwei deutsche Gelehrte, Emil und Joseph Schwarz, die zahlreiche Abenteuer
erleben und mit zahlreichen Gefahren, etwa einer Löwenjagd, konfrontiert
werden. Wie in den "Erzählungen für die Jugend" üblich, gibt es
jugendliche Protagonisten, die die Helden auf ihren Abenteuern begleiten. Hier
sind es ein Araberjunge, der "Sohn des Geheimnisses" und ein Neger,
der "Sohn der Treue". Mit ihnen kann sich der junge Leser
identifizieren. Für skurrile und witzige Situationen - die als Ausgleich zu den
grausamen Szenen - so wird als Höhepunkt der Handlung das Dorf Ombula
überfallen, niedergebrannt und die Einwohner ermordet bzw. verschleppt - sorgt
insbesondere der Ornithologie Pfotenhauer und ein clownhaft gezeichnetes
Freundespaar, der "Vater des Gelächters" und der "Vater der elf
Haare." Am Ende werden die Schurken besiegt und das Gute siegt.
Es gibt selten eine eindrucksvollere Beschreibung des Sklavenhandels, wie in
diesem Abenteuerroman. Er ist stringenter, weltoffener und in Glaubensfragen
weniger penetrant als der dreibändige "Mahdi"-Roman, der dasselbe
Thema aufgreift. Die Abschaffung der Sklaverei wird als humane
selbstverständliche Pflicht dargestellt. In Anbetracht der Zeit ist auffällig,
dass jeglicher Nationalismus fehlt und keinerlei Kolonialbegeisterung
festzustellen ist. Mag der "Mahdi" im Detail noch düsterer gestaltet
sein, so ist die "Sklavenkaravane" ein wunderbarer Abenteuerroman, der
es auch ermöglicht, die Sitten des Landes unmittelbar zu "erfahren".
Heinz Stolte, der erste Karl-May-Biograph, hat vom
"Literaturpädagogen" Karl May gesprochen. Ich hatte einen Freund, der
aufgrund der Lektüre dieses Buches, welches er für das beste Buch Karl Mays
überhaupt hielt, zum "Karl May-Fan" geworden ist.
Fazit
Wenn Hans Wollschläger, ebenfalls Verfasser einer Biographie Mays, erklürt
hat, die Sklavenkaravane sei ein gutes Buch, so ist ihm uneingeschränkt recht
zu geben. Ich kann nur sagen: das Buch ist hervorragend. Unbdingt lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 24. November 2003 2003-11-24 19:45:55