Es gibt sowohl Studien als auch Berichte von Menschen in Notsituationen (etwa
nach einem Erdbeben), die belegen, dass ein Mensch ohne Nahrung mehr oder
weniger problemlos einige Wochen hungern kann, sofern er genügend Flüssigkeit
zu sich nimmt. Ohne Flüssigkeit wiederum beträgt die Überlebensdauer eines
Erwachsenen im Schnitt etwa eine Woche im Maximum, soweit ich gehört habe
(jedenfalls so lange er nicht an Diabetes Insipidus leidet und dabei ebenfalls
ohne Medikamente auskommen muss). Der Freitaucher Stéphane Mifsud schaffte im
Juni 2009 den Weltrekord im Zeittauchen und blieb 11 Minuten und 35 Sekunden
unter Wasser. Luft hat ihm dabei natürlich nicht wirklich gefehlt, weil er sie
zuvor eingesogen hat und trainingsbedingt über ein doppelt so großes
Lungenvolumen verfügt wie sonst üblich. Im Schnitt kommt ein Mensch jedoch,
wenn er Glück hat, gerade mal zwischen zwei und vier Minuten ohne Luft aus,
wenn sie von jetzt auf gleich ausbleibt. Möglicherweise liegt es an dem
Umstand, dass wir mit einem Atemreflex zur Welt kommen, doch die Wenigsten
machen sich Gedanken über die ebenso selbstverständliche wie lebensnotwendige
Tatsache, dass wir atmen müssen. Wer atmet bewusst und dann auch noch
richtig?
In meinem eigenen Leben gab es gab einmal eine Zeit, in der mir die Luft
förmlich ausging. Genau genommen war sie natürlich da, ich konnte nur nichts
mit ihr anfangen, hustete, was das Zeug hielt, und brachte meinen Körper so in
arge Bredouille. Irgendwann sagte mein Lungenfacharzt, dass ich damit einfach
leben müsse. Für eine Nonkonformistin wie mich war das natürlich genau das
gewesen, was meinen Widerspruchsgeist auf den Plan rief. Obwohl ich kurz darauf
Blut zu husten begann, verließ ich mich fortan weniger auf die Ratschläge
diverser Ärzte und suchte nach adäquaten Alternativen.
Im Zuge meiner damaligen Erkrankung musste ich das Atmen jedenfalls völlig neu
lernen und kam unter anderem zum ersten Mal mit Atemgymnastik in Berührung.
Dank diverser Kurse und Bücher wurde mir die Bedeutung des Atmens erst so
richtig bewusst. Heute kann ich meinen Atem gezielt lenken, Stress damit bereits
im Vorfeld ausschalten, quasi punktgenau und vor allem schnell entspannen. Ich
kann Schmerzen und Müdigkeit bekämpfen, aber auch konzentrierter arbeiten.
Lauter singen, länger tauchen, weiter laufen, leichter meditieren und noch
vieles mehr. Damit allein bin ich natürlich nicht auf der 100%ig sicheren
Seite. Es kann logischerweise auch immer wieder mal etwas Akutes vorkommen (etwa
eine Bronchitis), doch Notfallspray, Cortison und sonstige Dauermedikamentation,
all das gehört schon seit Langem nicht mehr zu meiner lebensnotwendigen
Standardausrüstung.
Zum einen, weil man nie auslernt, zum anderen, weil ich immer noch mal ein
Mittel oder einen neuen Weg suche, anderen Hilfestellungen für die Hilfe zur
Selbsthilfe zu geben, landete im November letzten Jahres das gerade aktuell vor
mir liegende Buch Atem-Entspannung - Soforthilfe bei inneren und äußeren
Spannungen - Über 70 einfache Übungen zum Lockerwerden in meinen Händen.
Heike Höfler, die in Trossingen lebende Autorin, hat über TRIAS schon die
Bücher Entspannungstraining für Kiefer, Nacken und Schulter sowie
Fitness-Training fürs Gesicht herausgebracht und arbeitet als Sport- und
Gymnastiklehrerin. In ihrem im August erschienenen Buch geht es um Atmung und
wie sie dazu eingesetzt werden kann, mehr Lebensqualität und Kraft durch
gezielte Atem-Entspannung zu erreichen. Wie der Titel verrät andeutet, muss man
natürlich gar nicht erst krank sein, um sich die positive Kraft der richtigen
Atmung zunutze zu machen.
Einem bahnbrechend neuen Thema widmet sich die Autorin damit nicht. Auch hat sie
keine einmalige Patentlösung für ewige Jugend und Gesundheit, von der
Schönheit ganz zu schweigen, parat. Lohnt es sich trotzdem für Neulinge oder
LeserInnen, die sich bereits länger mit der Materie beschäftigen, einen
ausführlichen Blick ins Buch zu werfen?
Eindeutig ja. Das Informationsspektrum ist breit gefächert, leicht
verständlich und gut erklärt, ohne trocken-wissenschaftlich präsentiert zu
werden. Längere Texte sind durch Praxistipps und Kurzinfos aufgelockert.
Natürlich ist grundsätzlich noch thematisches Ausbaupotenzial vorhanden, die
112 Seiten des Buches sind jedoch bereits prall mit allerlei Wissenswertem
gefüllt und der Universalkönner Atem wird von mehreren Seiten in seiner
körperlich und geistigen Wirkung ebenso wie die Konzentration auf das Innere
beleuchtet.
Hinzu kommen die im Untertitel angesprochenen Übungen. Nach Inhaltsverzeichnis
und Vorwort folgen drei größere Kapitel. In Energiequelle Atmen findet man
grundsätzliche Informationen, in Entspannt Atmen ab Seite 35 Basisübungen und
in Entspannungsprogramme ab Seite 81 ganze Übungsfolgen. Ein
Sachwortverzeichnis rundet das Buch schließlich ab. Die Kapitel sind mit
zahlreichen Fotos, die u. a. auch die Übungen erleichtern, gestaltet. Farbige
Vorschaltseiten grenzen die Kapitel gut voneinander ab.
Interessierte LeserInnen erfahren, sofern sie es noch nicht wissen, dass die
avisierte Atem-Entspannung nicht nur über atemgymnastische Übungen zu
erreichen ist. Akupressur, Gähnen, Lachen, Reinigungs- oder Farbatmung und
heilende (Atem-) Töne werden ebenso angesprochen wie unterstützende Helfer
(ätherische Öle). Es gibt Übungen im Sitzen, Gehen, Stehen oder Liegen. Mal
wird geklopft, mal wird sich gedehnt. Mal atmet man laut, mal leise. Mal tief,
mal weniger tief. Alles ist sehr gut und leicht nachvollziehbar erklärt. Was
mir sehr gut gefallen hat: Bereits auf der vorderen Innenseite des Buchumschlags
findet man ein Kurzprogramm zur Entspannung.
Praktischerweise kann grundsätzlich jeder fast immer und überall eine oder
mehrere diese Übungen ausführen, egal ob jung oder alt, krank oder gesund. Die
beiden wichtigsten Bestandteile (unseren Körper und Atemluft) haben wir ja
stets dabei. Wer Höflers Anregungen befolgt, wird sukzessive das tun, was das
eigentliche Ziel des Buches ist: Die gewonnenen Erfahrungen vertiefen, in der
täglichen (Atem-)Praxis umsetzen und Lebensqualität gewinnen.
Wer sich noch nie intensiver mit seiner Atmung beschäftigt hat, sollte den
Selbsttest auf den Seiten 32 und 33 durchführen, bevor er mit den Übungen
beginnt, und sich einfach einmal überraschen lassen, wie viel man bei so etwas
Selbstverständlichen wie Luft holen falsch machen kann.
Fazit
Man muss, wie vorher bereits erwähnt, nicht krank sein, um das Atmen neu zu
lernen. Besser ist es, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Auf viele
Dinge haben wir keinen Einfluss. Auf unseren Atem bzw. unsere Atemtechnik jedoch
schon. Es lohnt sich auf alle Fälle es zu probieren, denn bereits der
Entspannungseffekt ist herrlich. Atem-Entspannung - Soforthilfe bei inneren und
äußeren Spannungen - Über 70 einfache Übungen zum Lockerwerden ist ein
informatives, gut aufgebautes und ansprechend aufgemachtes Praxis-Handbuch für
Neulinge und jene, die ihr Wissen auffrischen möchten.
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 20. Januar 2013 2013-01-20 15:08:50