Verschlungener Thriller
Sein neuer Fall wird Detective Inspector Will Wagstaffe, genannt Staffe, einen
hohen, persönlichen Preis kosten. Aber das wird ihm erst mit der Zeit klar
werden, denn zunächst tappt er, wie der gesamte Rest seiner Ermittlungseinheit
(mitsamt den Lesern natürlich), völlig im Dunkeln.
Nacheinander werden zwei Call-Girls in London ermordet. Auf ganz
unterschiedliche Arten und Weisen, an ganz unterschiedlichen Orten. Und doch
muss es eine Verbindung zwischen den beiden Morden geben, das spürt Staffe ganz
deutlich. Er, der die Härten des Lebens kennt. Der kein Problem als Polizist
damit hatte, dass seine Lebensgefährtin bei ihrem ersten Treffen sich vor
seinen Augen eine Nase Kokain genehmigte. Der mit einer dritten Prostituierten,
die ebenfalls in Verbindung mit den beiden Mordopfern stand, eine mehr als
eindeutige Nähe in der Vergangenheit erlebte.
Als ein eingefleischter Junggeselle, ein Spanner, jener, der die zweite Leiche
in einem Waldstück fand, sich in Widersprüche verwickelt und gar ein
Geständnis ablegt, ist für die meisten der ermittelnden Beamten der Fall
geklärt. Doch Staffe traute seiner Intuition immer schon mehr als allzu glatten
Fakten und ermittelt weiter in den dunklen Ecken Londons, die trotz ihrer Scheu
vor dem Licht ihren Schatten bis in die höchsten Kreise der Stadt werfen.
Mit Hilfe des jungen Kriminalbeamten Pulford, den Staffe unter seine Fittiche
und in sein Haus aufgenommen hat, ermittelt Staff weiter in den Kreisen
russischer Einwanderer und anrüchiger Geschäftsleute. Er stößt in ein Netz
von neuem Geld, alter Armut, Drogen, Prostitution und gegenseitiger
Verflechtungen, das nur schwer zu durchschauen ist.
Auch für den Leser dauert es lange, bis auch nur einigermaßen geordnet
erscheint, wer mit wem in dieser verwinkelten und verwickelten Geschichte
verknüpft ist. Ist der aalglatt wirkende türkische "Geschäftsmann"
Markary wirklich so schuldig, wie Staffe vermutet? Was weiß der Bruder des
ersten Mordopfers? Wieweit ist seine alte Freundin, die Prostituierte Rosa, mit
gefährdet? Die immerhin eine enge Freundschaft zu den beiden toten Frauen
gepflegt hat. Und was hat Arabella, die Tochter aus bestem Hause, in diesen
Kreisen verloren?
Fragen über Fragen, in denen sich Staffe mehr und mehr verliert und darüber
versäumt, die Gefährdung für sein engstes Lebensumfeld wahrzunehmen. Denn je
näher er dem Kern des Verbrechens kommt, desto mehr gerät er und, vor allem,
seine nunmehr Verlobte, in das Visier der Täter.
Voller Andeutungen schreibt Adam Creed und lässt dem Leser dabei viel Raum für
eigene Fantasien. Ein wenig dauert es schon, sich in dieser Welt der
herumschwirrenden Namen und gegenseitigen Verbindungen zurecht zu finden. Mit
der Person des Staffe ist Adam Creed allerdings eine geschickte Klammer all der
losen Fäden des Falles gelungen. Lakonisch, anders als seine Kollegen, eher ein
Einzelgänger, der aber dennoch von dem starken Wunsch nach Anbindung getrieben
ist, seine innere Distanz aber selten überwinden kann, trägt die Figur über
weite Strecken des Buches die Geschichte fast alleine.
Fazit
Ein intelligenter Fall, überzeugende Figuren auf beiden Seiten des Gesetzes und
eine langsam sich aufbauende Spannung durch die mehr und mehr in den Raum
tretende Gefährdung Staffes und seiner "Frauen", dass sind die
Stärken dieses Thrillers. Eine gewisse Unordnung, ein allzu langes "Tappen
im Dunklen" und damit einhergehend eine gewisse Mühe, dem Buch gerade in
der ersten Hälfte konzentriert zu folgen stehen demgegenüber als Erschwerung
im Raum. Alles in allem aber ein solider, mit ausgeprägter Atmosphäre
versehener Thriller, der durchaus spannend zu unterhalten weiß.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 09. September 2011 2011-09-09 12:24:34